§ 25 - 27 StGB

Im Folgenden werden die geschichtlichen Ausführungen der Kommentierung des Abschnittes Vor §§ 25 ff. im Nomos-Kommentar 3. Auflage (2010) in das Internet gestellt. Aus Raumgründen konnten sie in die neue, 4. Auflage (2013) nicht übernommen werden.

Der Abschnitt über die Tatherrschaftslehre ist in erweiterter Form als Buch mit dem Titel „Tatherrschaftslehren“ (2009) veröffentlicht worden.

 

Überblick über die folgenden Ausführungen:

I. Die gesetzliche Regelung bis zur Reform 1975

II. Die unterschiedliche Interpretation der §§ 47 - 49 (R)StGB

II.1. Anwendung durch die Rechtsprechung

II.2. Die Theorien der Lehre

II.3. Die Tatherrschaftslehre

III. Die Reform 1975

IV. Die Regelung in der DDR

V. Exkurs: Übernationales Recht

V.1. Europäisches Strafrecht

V.2. Völkerstrafrecht

VI. Reformvorschläge

 

 

A. Geschichtliches

 

1 §§ 25 - 27 gelten seit dem 1.1.1975; sie lösten die im wesentlichen bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen der §§ 47 - 49 (R)StGB 1871 ab. Selbstverständlich kann die Reform 1975 nicht verstanden werden, wenn nicht bekannt ist, was eigentlich warum verändert werden sollte. Daher sind unter I. die früheren Bestimmungen vorzustellen und auf einige Änderungen vor der Reform 1975 hinzuweisen. Als II. wird das interpretative Verständnis der §§ 47 ff. (R)StGB zumindest in den wesentlichen Punkten vorgestellt, was deshalb notwendig ist, da manche dieser Theorien auch nach 1975 weiter vertreten wurden (und sich dann als Interpretation der neuen §§ 25 ff. ausgaben bzw. verstanden). III. berichtet dann die Entstehung der neuen Bestimmungen; wie weit sie heute wirklich noch gelten, wird unter B. dargestellt. Unter IV. findet sich eine kurze Darstellung der Regelungen in der ehemaligen DDR. In einem Exkurs (unter V.) wird auf die Regelungen der Beteiligung im übernationalen Recht hingewiesen. Als VI. werden einige Reformvorschläge vorgestellt.

 

 

I. Die gesetzliche Regelung bis zur Reform 1975

 

2 Das Reichsstrafgesetzbuch vom 31. Mai 1871 enthielt im Abschnitt “Theilnahme” folgende Bestimmungen: “§ 47: Wenn mehrere eine strafbare Handlung gemeinschaftlich ausführen, so wird jeder als Täter bestraft. § 48: (1) Als Anstifter wird bestraft, wer einen anderen zu der von demselben begangenen strafbaren Handlung durch Geschenke oder Versprechen, durch Drohung, durch Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, durch absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrtums oder durch andere Mittel vorsätzlich bestimmt hat. (2) Die Strafe des Anstifters ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich angestiftet hat. § 49: (1) Als Gehilfe wird bestraft, wer dem Täter zur Begehung des Verbrechens oder Vergehens durch Rat oder Tat wissentlich Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe des Gehilfen ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich Hilfe geleistet hat, jedoch nach den über die Bestrafung des Versuches aufgestellten Grundsätzen zu ermäßigen.” Diese Regelungen galten auch für das Militärstrafrecht (§ 2 MilStGB). Doch enthielt das ab 1.Oktober 1872 geltende Militärstrafgesetzbuch - das in der Hauptsache auf dem preußischen MilStGB 1845 beruhte - eine zusätzliche Bestimmung über “Theilnahme”, nämlich § 47: “Wird durch die Ausführung eines Befehls in Dienstsachen ein Strafgesetz verletzt, so ist dafür der befehlende Vorgesetzte allein verantwortlich. Es trifft jedoch den gehorchenden Untergebenen die Strafe des Theilnehmers: 1. wenn er den ihm erteilten Befehl überschritten hat, oder 2. wenn ihm bekannt gewesen ist, daß der Befehl des Vorgesetzten eine Handlung betraf, welche ein bürgerliches oder militärisches Verbrechen oder Vergehen bezweckte.” Zu erwähnen ist auch noch § 115: “Wer durch Mißbrauch seiner Dienstgewalt oder seiner dienstlichen Stellung einen Untergebenen zu einer von diesem begangenen, mit Strafe bedrohten Handlung vorsätzlich bestimmt hat, wird als Täter oder als Anstifter mit erhöhten Strafe belegt.” Auf die nähere Interpretation dieser meist als wenig geglückt und dunkel gekennzeichneten Bestimmungen kann hier nicht eingegangen werden (vgl. nur Schwinge Militärstrafgesetzbuch 102 ff.), obwohl sie manchmal auch für das Beteiligtenverständnis des RStGBs herangezogen wurden; es sei nur angemerkt, daß offensichtlich unter dem “Theilnehmer” i.S.d. § 47 MStGB nach dem Sprachgebrauch des RStGBs auch der Mittäter verstanden werden sollte; und daß meist der befehlende Vorgesetzte als mittelbarer Täter aufgefaßt wurde..

 

3 Diese - und viele andere - Bestimmungen des RStGBs wurden bereits im Jahre 1902 als so veränderungsbedürftig aufgefaßt, dass eine Reform geplant wurde, die durch “Vergleichende Darstellungen des deutschen und ausländischen Strafrechts” vorbereitet wurde. Vielfach wurde das Fehlen einer ausdrücklichen Täterbestimmung bemängelt und ein wirklicher Abschnitt “Täterschaft und Teilnahme” gefordert; einige Strafrechtler vertraten einen auf jeden kausalen Tatbeitrag abstellende “Einheitstäterbegriff” und wollten daher aus diesem Grunde die Abschaffung zumindest der §§ 48 und 49. Die Reformversuche führten noch im Kaiserreich, dann in der Weimarer Republik zwar zu einem Vorentwurf (1909) und “echten” (dann sogar amtlichen) Entwürfen (1913, 1919, 1922, 1927, 1930), aber zu keiner gesetzlichen Neuerung; mit Ausnahme des JGG 1923, das in § 4 von der extremen Akzessorietät der Teilnahme abwich, indem festgesetzt wurde: “Die Strafbarkeit des Anstifters und Gehilfen ... wird durch die Vorschriften [über die Strafmündigkeit des Kindes und des Jugendlichen, WS] nicht berührt.” Auch im NS-Regime wurden einige Anläufe zu einer Reform unternommen (Referentenentwurf 1933, Entwurf zum Allgemeinen Teil 1934 und 1935, Entwürfe 1936, 1944), die aber gleichfalls nicht erfolgreich waren; mit wiederum einer Ausnahme im Jahre 1943. In der Akademie für Deutsches Recht war ab Ende 1940 ein Ausschuß für die Strafrechtsangleichung zwischen dem Altreich und den Reichsgauen der Ostmark eingerichtet, der auch vorschlug und ausarbeitete die “Beseitigung der Akzessorietät von Anstiftung und Beihilfe. Zusammenfassung von Anstiftung, Beihilfe, mittelbarer Täterschaft nach dem Vorbild des österr. Rechts, um in der Praxis leicht auftauchende Subsumtionsfragen zu vermeiden”. Durch die Verordnung des Reichsjustizministers (StrafrechtsangleichungsVO) vom 29. Mai 1943 wurde diese vorläufige “Angleichung des Strafrechts des Altreichs und der Alpen- und Donau-Reichsgaue” durchgeführt. In § 49a III wurde die Strafbarkeit auch der erfolglosen (versuchten) Beihilfe vorgesehen; § 50 erhielt eine neue Überschrift und eine neue Fassung. In der DurchführungsVO vom selben Tag wurde der Wortlaut auch der §§ 48, 49 geändert, nämlich die in § 4 JGG bereits aufgenommene “limitierte Akzessorietät” der Teilnahme - die von einigen Rechtslehrern bereits für die frühere Regelung vertreten hatten - allgemein vorgesehen. Darüber hinaus wurde die bisher obligatorisch angeordnete Strafmilderung für die Beihilfe aufgehoben. Es galten damit seither (und auch noch für die Zeit nach 1945) folgende Bestimmungen (wobei die Änderungen unterstrichen sind):“§ 48: (1) Als Anstifter wird bestraft, wer einen anderen zu der von demselben begangenen mit Strafe bedrohten Handlung durch Geschenke oder Versprechen, durch Drohung, durch Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, durch absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrtums oder durch andere Mittel vorsätzlich bestimmt hat. (2) Die Strafe des Anstifters ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich angestiftet hat. § 49: (1) Als Gehilfe wird bestraft, wer dem Täter zur Begehung einer als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedrohten Handlung durch Rat oder Tat wissentlich Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe des Gehilfen ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich Hilfe geleistet hat, kann jedoch nach den über die Bestrafung des Versuchs aufgestellten Grundsätzen ermäßigt werden.” Anzumerken ist, daß die Kommentare meistens den Bestimmungen (gesetzlich selbst nicht vorgesehene) Überschriften gaben: “Mittäterschaft” (§ 47), “Anstiftung” (§ 48), “Beihilfe” (§ 49), “Duchesne-Paragraph” (§ 49a) und “Selbständige Strafbarkeit der Beteiligten” (§ 50).

 

4 Nach dem Ende des NS-Regimes stand zunächst der am 30.7.1945 erstmals zusammentretende Kontrollrat vor dem Problem der Weitergeltung der (straf)rechtlichen Vorschriften. Das MStGB wurde am 20.8.1946 außer Kraft gesetzt. Diskutiert wurde u.a. auch die Neuregelung der § 49a III (vgl. Etzel Aufhebung 179), doch kam es zu keiner Beschlußfassung (bis am 20.3.1948 die Arbeit faktisch eingestellt wurde). Das Land Thüringen erließ am 1.11.1945 ein “Gesetz über die Anwendung des Strafgesetzbuchs im Lande Thüringen”, das sich ausdrücklich nicht als neues StGB verstand, sondern nur als Übergangsregelung, die grundsätzlich auf die Fassung des RStGBs des Jahres 1933 zurückgriff (und deshalb einige für unbedingt erforderlich gehaltene Änderungen vornahm). Unter der Federführung des Jenenser Strafrechtsprofessors R. Lange wurde zunächst die 1943 erfolgte Einführung der limitierten Akzessorietät übernommen. Darüber hinaus wurde auch eine Klarstellung des Täterbegriffs vorgenommen, da sich in den letzten Jahren “zunehmend eine Überspannung der subjektiven Teilnahmetheorie durch die Praxis” gezeigt habe, die zu “dem Volk unverständlichen Entscheidungen” geführt habe (Lange Strafgesetzbuch 8 f.). Die Neuregelungen lauteten: “§ 47. (1) Als Täter wird bestraft, wer schuldhaft die strafbare Handlung selbst oder durch einen anderen ausführt. (2) [= ehem. § 47]. § 48. (1) Als Anstifter wird bestraft, wer, ohne selbst Täter zu sein, einen anderen zu einer mit Strafe bedrohten Handlung vorsätzlich bestimmt hat. § 49 (1) Als Gehilfe wird bestraft, wer, ohne selbst Täter zu sein, dem Täter zur Begehung einer als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedrohten Handlung durch Rat oder Tat wissentlich Hilfe geleistet hat.” In dem Ergänzungsgesetz vom 8.2.1946 stellte eine neuerliche Veränderung des § 47 I klar, daß mittelbare Täterschaft auch dann strafbar sein sollte, wenn der Benutzte in Erfüllung einer Amtspflicht oder sonst rechtmäßig gehandelt hatte. Denn es waren in Fällen, in denen der Täter die Rechtspflege zur Verfolgung seiner verbrecherischen Zwecke mißbraucht hatte (Prozeßbetrug, politische Denunziationen), vielfach Zweifel aufgetaucht (Lange Strafgesetzbuch 10). Die neue Vorschrift des § 47 I lautete somit: “Als Täter wird bestraft, wer schuldhaft die strafbare Handlung selbst oder durch einen anderen ausführt, auch wenn der andere rechtmäßig handelt.” Doch trat der Konstanzer Juristenkreis bereits im Juni 1947 für ein einheitliches “Strafbarkeitsniveau” ein. (Im übrigen wurde das Thüringer Spezialgesetz vom Landtag am 10. Oktober 1950 aufgehoben.) Von Anfang der neuen deutschen Republik an war klar, daß die Reformbestrebungen im Anschluss an die Fehlversuche in der Weimarer Republik weitergehen mußten. Doch war zunächst fraglich, ob dieser Wortlaut - der doch zum Teil auf Änderungen in der NS-Zeit zurückzuführen war - überhaupt in der neuen Republik Geltung beanspruchen konnte. Das 3. StRÄG (StrafrechtsbereinigungsG) vom 4. August 1953 hob die Strafbarkeit der versuchten Beihilfe gemäß § 49a III auf. Anzumerken ist, daß das JGG 1953 und das Wehrstrafgesetz 1957 im Gegensatz zu den früheren Gesetzen (vgl. Rn.3, 4) keine zusätzliche Beteiligtenbestimmung (mehr) enthielten (vgl. aber §§ 33, 41 WStG, die als eigene Tatbestände das “Verleiten zu einer rechtswidrigen Tat” bzw. “mangelhafte Dienstaufsicht” unter Strafe stellen). - Zur Entwicklung in der DDR vgl. Rn.52 ff.

 

II. Die unterschiedliche Interpretation der §§ 47 - 49 (R)StGB

 

5 Das RStGB 1871 enthielt keine ausdrückliche Bestimmung des Täters, sondern regelte ausdrücklich nur die Mittäterschaft (unter dem Titel “Teilnahme”), weshalb es erforderlich war, für die “Teilnehmerlehre” - die nach dem Sprachgebrauch des Gesetzes auch die Abgrenzung von Anstiftung und Beihilfe gegenüber der mittelbaren und Mit-Täterschaft umfaßte - auf allgemeine Grundlagen und Auffassungen, die von Theoretikern und Philosophen bereits vor 1871 entwickelt worden waren, zurückzugreifen. Dabei ist ausdrücklich auf den Wortlaut des § 48 I hinzuweisen, der als Mittel der Anstiftung auch Drohung, Mißbrauch der Gewalt und Täuschung (Herbeiführung oder Förderung eines Irrtums) anführte und daher in diesen Fällen eines genötigten oder getäuschten Ausführenden für den Hintermann Anstiftung anzunehmen nahelegte, wodurch der mögliche Anwendungsbereich für mittelbare Täterschaft eingeengt war.

 

II.1. Anwendung durch die Rechtsprechung:

1.1. Vor 1945:

6 Das RG folgte dabei der “subjektiven Theorie”, die im 19. Jh. in drei Varianten (vor allem für die Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe) ausgearbeitet und vertreten worden war. Die formell-subjektive Auffassung stellte als Täterschaftskriterium auf den Dolus (Absicht, Vorsatz, Willen) als solchen ab und bestimmte den Täter als denjenigen, der den Willen hatte, die Tat als eigene oder in eigenem Namen zu begehen (animus auctoris) (im Unterschied zum Gehilfen, der an einer fremden oder im fremden Namen begangenen Tat mitwirken wollte [animus socii]). Die materiell-subjektive Auffassung sah das entscheidende Kriterium der Täterschaft in dem Bestreben, durch die Tat eigene Interessen zu befriedigen oder eigene Zwecke zu erreichen (im Unterschied zum Gehilfen, der in fremdem Interesse oder für fremde Zwecke tätig wurde). Es wurde auch eine subjektive Mischtheorie vertreten, die beide Kriterien verband und auf die Selbst- bzw. Unselbständigkeit abstellte: der Täter verfolge selbständige Zwecke, während der Gehilfe seine Zwecke vollständig denen des Täters unterordne, weshalb die Schuld des Täters eine unbedingte (selbständige), die des Gehilfen eine untergeordnete (und unselbständige - vergleichbar dem dolus eventualis -) sei. In den Entscheidungen des RGs finden sich alle drei Varianten (vgl. die Auflistung bis 1902 in v.Birkmeyer Teilnahme 52 ff.), die ihre theoretische Grundlage in der Kausalitäts- und Täterlehre des Reichsgerichtsrates v.Buri hatten (dazu vgl. Rn.13). Wegen der erkenntnistheoretisch notwendigen Gleichwertigkeit aller Bedingungen (Äquivalenztheorie) sei eine Unterscheidung von Täter- und Gehilfenbeitrag im äußeren (objektiven) Geschehensablauf (etwa nach “Ursache” und “Bedingung” oder nach wesentlichen/ unwesentlichen Bedingungen) nicht möglich, weshalb es notwendig sei, das unterscheidende Kriterium im Inneren (Subjektiven) des Betreffenden anzusetzen und zu suchen. Doch anerkannte v.Buri einen Ausnahmefall, in dem Täterschaft auch dann anzunehmen sei, wenn der Betreffende bloß mit innerer Gehilfeneinstellung gehandelt habe: nämlich wenn dieser die “Haupthandlung” (also die äußere Ausführungshandlung) selbst gesetzt habe. Darin lag freilich im Grunde die Abkehr von der subjektiven Theorie zugunsten einer aus dem Tatablauf logisch zwingenden Fiktion eines Täterwillens. Das RG folgte im wesentlichen dieser Einschränkung; bekannt sind freilich die wenigen anderslautenden Entscheidungen (vor allem der berühmte Badewannenfall RGSt 74, 84), in denen im Sinne einer extrem-subjektiven Auffassung auch derjenigen, der die Ausführungshandlung eigenhändig setzte, als Gehilfe betrachtet wurde, wenn er mit animus socii oder allein in fremdem Interesse tätig wurde; wobei anzumerken ist, daß auf diese Weise versucht wurde, die absolute Strafdrohung des § 211 - zwingend vorgeschriebene Todesstrafe bei Mord - zu umgehen, da für Beihilfe nach § 49 II die Strafe obligatorisch zu mildern war (zum Badewannenfall vgl. Hartung JZ 1954, 430). Ob die Möglichkeit bestehe, daß bei einer Tat alle Beteiligten nur mit animus socii handeln könnten - weshalb es mangels einer Haupttat zur Bestrafung keines einzigen hätte kommen dürfen - , wurde nicht geklärt. In gewisser Weise ebenfalls extrem-subjektiv wurde auch die Beihilferegelung des § 49 I interpretiert, indem nicht eine kausal mitwirkende Bedingung - die doch nach der theoretischen Grundlage in der Äquivalenztheorie des v.Buri erforderlich war - verlangt, sondern ein bloßes “förderlich sein” für die Haupttat für ausreichend gehalten wurde; freilich unter der Voraussetzung, daß der Betreffende mit der inneren (subjektiven) Gehilfeneinstellung tätig wurde. Für die Mittäterschaft folgte aus der subjektiven Theorie, daß das “gemeinschaftlich ausführen” des § 47 auf das Setzen irgendeiner Bedingung reduziert werden konnte, sofern der Betreffende mit der inneren (subjektiven) Tätereinstellung tätig wurde (wofür im übrigen RGSt 15, 295 verlangte, daß der Betreffende Ausführungswillen haben müsse: “nur wer die That mit ausführen will, kann sie als seine That wollen”). Es genügte als äußerer (objektiver) Beitrag irgendeine Mitwirkung oder Unterstützung auch bloß im Vorbereitungsstadium. Bezüglich der Anstiftung folgte das RG der Regelung des § 48, der eindeutig denjenigen - der einen anderen zur Tatbegehung vorsätzlich bestimmt hat - vom Täter unterschied, weshalb die frühere Auffassung dieses Bestimmenden als eines “intellektuellen Urhebers” (und damit: [mittelbaren] Täters) nicht Eingang ins Gesetz gefunden hatte. Der Anstifter wurde also trotz der höheren Strafdrohung auf die gleiche Stufe mit dem Gehilfen - als Teilnehmer (im engeren Sinne) - gestellt. Doch war es nicht möglich, ihn innerlich (subjektiv) dadurch zu charakterisieren, daß er sich einem fremden Willen unterwerfen wolle: denn sein Wille richtete sich doch gerade darauf, diesen Willen erst zu erzeugen. Daher wurde als maßgebend die Variante zugrundegelegt, wonach auch der Anstifter eine fremde Tat zur Verwirklichung kommen lassen wollte. Schließlich ist noch festzuhalten, daß das RG auch die Figur der mittelbaren Täterschaft anerkannte: zunächst für die Fälle, in denen der einen anderen zur Tatbegehung Bestimmende nicht als Anstifter bestraft werden konnte, da dieser nach dem Wortlaut des § 48 I diese strafbare Handlung auch begangen haben mußte, d.h.: deswegen auch bestraft werden konnte; freilich nur unter der grundlegenden Voraussetzung, daß der Bestimmende mit der inneren (subjektiven) Tätereinstellung tätig wurde. Konsequent war dann aber auch die Ausdehnung der Täterschaft (unter der genannten Voraussetzung) auf die Fälle, in denen sich jemand eines anderen - der nicht bestraft werden konnte - als eines Mittels (Werkzeugs) zur Tatausführung bediente. Denn “sein Verhalten steht ... rechtlich vollständig dem Falle gleich, als hätte er sich willensunfähiger Werkzeuge zur Ausführung seines Willens bedient; d.h. er war Täter” (RGSt 25, 397).

 

7 Anzumerken ist, daß während des NS-Regimes der Volksgerichtshof ebenfalls eine extrem-subjektive Auffassung vielen Urteilen zugrundelegte, die er auf die damals vor allem von Freisler vertretene Auffassung von einem gegen den Rechtsfeind gerichteten “Willensstrafrecht” stützte (vgl. dazu Lämmle DR 1944, 505 ff.). In DR 1942, 721 wurde in dieser Richtung in bewußtem Brechen mit dem geltenden RStGB und der bisherigen Rechtsauffassung - und noch vor der StrafrechtsangleichungsVO 1943 - auch die Beihilfehandlung für strafbar befunden, obwohl die Haupttat weder vollendet noch versucht worden war.

 

1.2. Nach 1945:

8 Auch nach 1945 hielt der BGH in Anknüpfung an die Rechtsprechung des RGs an dem subjektiven Ansatz in seinen Varianten fest (vgl. Roxin Täterschaft 90 ff.). Es finden sich auch einige Entscheidungen, in denen - parallel zum Badewannenfall RGSt 74, 84 (und auch aus dem gleichen Bestreben, die zwingend vorgeschriebene lebenslange Freiheitsstrafe für Mord umgehen zu können; vgl. Roxin Täterschaft ³ 577 ff.) - die extrem-subjektive Theorie zugrundegelegt (d.h. Beihilfe selbst bei voller Verwirklichung der Tatbestandshandlung, sofern nur animus socii gegeben sei, angenommen) wurde: im Bandenschmuggelfall 1955 (BGHSt 8, 70), im bekannten Fall des Staschynskji, der als Agent einer ausländischen Macht zwei Exilpolitiker eigenhändig mit einer Giftpistole getötet hatte (BGHSt 16,12 aus dem Jahre 1961), in einigen Entscheidungen über NS-Täter (dazu Hanack Problematik; Henkys Gewaltverbrechen; zusammenfassend Heine JZ xxx) und sogar noch in MDR 1974, 547 (weitere Beispiele bei Roxin Täterschaft³ 90 ff., 557 ff.). Doch überwogen die Urteile, in denen eine so extreme Subjektivierung abgelehnt wurde (ausdrücklich gegen RGSt 74, 84 z.B. BGHSt 8, 393: “Wer mit eigener Hand einen Menschen tötet, ist grundsätzlich auch dann Täter, wenn er es unter dem Einfluß und in Gegenwart eines anderen nur in dessen Interesse tut”). Noch mehr: für die Frage nach der Täterschaft des § 216 StGB wandte BGHSt 19, 35 (Gisela-Fall) aus dem Jahr 1964 sich gegen die Anwendbarkeit eines subjektiven Ansatzes überhaupt (und konkret für § 216): der von dieser Bestimmung gemeinte Täter müsse “durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden” sein, was eine innere (subjektive) Unterordnung unter einen fremden Willen notwendig ausschließe; Täter könne daher nur derjenige sein, der das zum Tode führende Geschehen tatsächlich beherrsche. Überhaupt fanden sich zunehmend in den Urteilen des BGH zumindest Hinweise (auch) auf die Tatherrschaftslehre; zuerst offensichtlich 1950 in BGH NJW 1951, 120; dann für Unterlassungen BGHSt 13, 162 (aus 1959) (weitere Beispiele bei Roxin Täterschaft³ 90 ff., 557 ff.; LK-Roxin § 25 Rn.16 ff.).

 

9 Dabei wurde allerdings eigentlich zunehmend der subjektive Ansatz verändert, indem nicht (mehr) auf einen Täterwillen als einen feststellbaren inneren Sachverhalt abgestellt wurde, sondern der Entscheidung ein normatives Urteil über das gesamte Geschehen zugrundegelegt wurde (wie es in Rn.6 für die Theorie des v.Buri gezeigt wurde). So knüpfte bereits im Jahre 1952 BGHSt 2, 150 an eine Formulierung von E. Mezger (zu ihm Rn.15) an: “Es kommt nicht darauf an, welchen beliebigen Sinn der [Betreffende, WS] seinem [Verhalten, WS] innerlich beilegt, sondern welchen Sinn es für den Ablauf der Dinge wirklich hat.” Noch deutlicher wurde der BGH in JR 1955, 304: “Entscheidend ist ... die innere Willensrichtung der Beteiligten. ... Die gebräuchliche Wendung, Mittäter sei, wer die Tat `als eigené wolle, ist missverständlich. Diese Willensrichtung ist keine innere Tatsache, die der Tatrichter bindend feststellen kann. Es handelt sich vielmehr um eine wertende Beurteilung. Für sie ist ein wesentlicher Anhaltspunkt, wieweit der Beteiligte den Geschehensablauf mitbeherrscht, so dass Hergang und Erfolg der Tat maßgeblich auch von seinem Willen abhängen.” Solche “Anhaltspunkte” wurden in “Willensrichtung, Tatherrschaft, Interesse am Taterfolg und Umfang der eigenen Tatbestandsverwirklichung” gesehen und genannt. Ähnliche Formulierungen verwendeten BGHSt 8, 393 (aus 1956); MDR 1960, 939; BGHSt 16, 12 (aus 1961); NJW 1966, 1763 (für Unterlassung). Auch in NJW 1968, 1339 normativierte der BGH die Täterfrage, indem er den Angeklagten - der als berufsrichterlicher Beisitzer des VGH dem Antrag des Vorsitzenden Freislers auf Todesstrafe zugestimmt hatte - als Täter eines Tötungsverbrechens qualifizierte mit dem Hinweis, daß eine Gehilfenbestrafung “der rechtlichen Stellung eines Berufsrichters nicht gerecht [wird]. ... Sie kann und konnte nicht durch irgendwelche tatsächlichen Verhältnisse ... geändert werden.”

 

10 Angemerkt sei, daß es nicht angemessen ist, darin eine Entwicklung hin zu einer “eingeschränkten” oder “gemäßigten” subjektiven oder subjektiv-objektiven Theorie zu sehen. Auch die Bezeichnung als normative Kombinationstheorie paßt nicht; vgl. die Umschreibung in LK-Roxin § 25 Rn.20, 27: darin liege eine Fortentwicklung der “gemischt subjektiv-objektiven Teilnahmelehre” Mezgers, weshalb die subjektive Theorie in ihrer ursprünglichen Bedeutung weitgehend aufgegeben sei, da der Täterwille nicht mehr als ein psychisches Faktum, sondern als wertende Zuschreibung verstanden werde, für welche das Kriterium der Tatherrschaft zunehmend wichtiger werde. Denn es bleibt festzuhalten, daß jedenfalls bis 1975 weiterhin an dem subjektiven Ansatz festgehalten wurde (zur Übernahme dieses Ansatzes auch nach 1975 vgl. Rn.xxx). Aber man kann noch einen Schritt weiter gehen und in der Anwendung durch die Rechtsprechung überhaupt den Abschied von jeder Theorie sehen. Denn deutlich wird, daß die Berufung auf den Täterwillen nur mehr eine Formel war, die - vergleichbar der Rechtsprechung zum dolus eventualis - dazu dienen sollte, ein richterliches Urteil, noch mehr: die richterliche Beweiswürdigung in der Urteilsbegründung rechtsmittelsicher bzw. argumentativ begründet (“objektiv” im Gegensatz zu subjektiver Willkür) zu machen. Denn es wurde nur auf “Anhaltspunkte für eine wertende Beurteilung” (JR 1955, 304) bzw. auf “Gesichtspunkte, die für die Beurteilung der Willensrichtung wesentlich sind” (vgl. BGHSt 9, 370) abgestellt; es ging in BGHSt 8, 70 um “Beweisanzeichen” (also Indizien); manchmal hat der Leser der Entscheidungen den Eindruck, daß mit diesen Wendungen die rechtliche Möglichkeit begründet werden sollte, Einlassungen eines Angeklagten als bloße Schutzbehauptungen - weil sie einfach bei einem solchen Tatgeschehen nicht denkbar seien - zurückweisen zu können. Um die bekannte Formulierung aus BGHSt 7, 363 (“Die Billigung des Erfolgs ... bedeutet nicht etwa, daß der Erfolg den Wünschen des Täters entsprechen muß. Bedingter Vorsatz kann auch dann gegeben sein, wenn dem Täter der Eintritt des Erfolges unerwünscht ist. Im Rechtssinne billigt er diesen Erfolg trotzdem, wenn er, um des erstrebten Zieles willen, notfalls, d.h. wenn er anders sein Ziel nicht erreichen kann, sich auch [mit dem Erfolgseintritt, WS] abfindet”) heranzuziehen: ein Beteiligter brauchte danach nicht tatsächlich einen Täterwillen zu haben, es kam darauf an, ob er ihn “im Rechtssinne” hatte, was bedeutete: es gab Fälle, in denen er eben einen solchen Täterwillen - den er tatsächlich nicht hatte - normativ haben mußte. Oder noch genauer: in solchen Fällen wurde ihm entgegen der Realität ein Täterwillen zugeschrieben, er also fiktiv so behandelt, als hätte er einen solchen. Der Hinweis auf die Formel vom Täterwillen sollte nur der Absicherung des Urteils dienen, das aus einer wertenden Betrachtung des Gesamtgeschehens - das beweismäßig umfassend zu würdigen war - gewonnen worden war, wobei sicherlich Strafzumessungserwägungen entscheidend waren. Dies mag in vielen Einzelfällen zu einer gerechten Bestrafung, vielleicht durchaus zu angemessenen (“richtigen”) Ergebnissen geführt haben; als eine begründete Theorie der Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme kann man diese Urteilspraxis aber nicht anerkennen, da sie jede beliebige Variante (von extrem-subjektiver Auffassung bis hin zur Tatherrschaftslehre) in austauschbarer und vermischbarer Weise in diese Formel - die sich damit als “ein bloßes Wort ohne faßbaren Sinn” (RGSt 15, 295) erwies - bannen konnte (welchen Standpunkt im übrigen auch die Strafrechtskommission in der Arbeit an der Reform 1975 einnahmen, vgl. Rn.50).

 

11 Hinzuweisen ist noch auf die Entscheidung des 2.Senates BGHSt 9, 370 aus dem Jahre 1956, in der unter ausdrücklicher Berufung auf Bockelmann und Welzel (und entgegen BGHSt 4, 355; 5, 47 - wobei auf Anfrage der damals entscheidende 4. Senat erklärt hatte, an dieser Rechtsauffassung nicht mehr festhalten zu wollen -) festgehalten wurde, daß Teilnahme (hier: Anstiftung) eine vorsätzliche Haupttat voraussetze (und zugleich eine Unterordnung unter einen fremden Willensentschluß) (380). Dies folge aus dem “Wesen der Teilnahme und den gesetzlichen Tatbestandsmerkmale der Anstiftung und der Beihilfe”, die auch durch die Änderung in der StrafrechtsangleichungsVO 1943 nicht geändert worden seien (379). Denn das Bestimmen als Hervorrufen des Tatentschlusses sei nur bei einem vorsätzlich Handelnden möglich. Deshalb sei auch die Auffassung, die Anstiftung sei wesentlich die Verursachung die rechtswidrigen Verhaltens eines anderen, unhaltbar. Zudem führe sie zu einer Auflösung der Grenzen der Tatbestände, insbesondere der Unterscheidung von mittelbarer Täterschaft und Teilnahme: denn zwar käme es grundsätzlich auf die Willensrichtung des Beteiligten an; doch sei für ihre Beurteilung wesentlicher Gesichtspunkt, inwieweit der Betreffende den Geschehensablauf mitbeherrsche, ob Hergang und Erfolg maßgeblich von seinem Willen abhänge; ein “Täterwille als Wille zur Beherrschung des Geschehensablaufs” sei ohne Vorsatz nicht denkbar (380). Aus dieser Notwendigkeit, daß auch der Gehilfe seinen Willen dem des Haupttäters unterordnen müsse, folge auch das Erfordernis der vorsätzlichen Haupttat für die Beihilfe (380). Diese Auffassung entspreche im übrigen auch der “natürlichen Betrachungsweise” und stehe mit der “allgemeinen Rechtsanschauung, die mit diesen Begriffen bestimmte Vorstellungen und Wertungen verbindet”, in Einklang (381). Die Frage, ob der Vorsatz des Haupttäters nicht erforderlich sei, wenn der “Teilnehmer” sich wenigstens eine vorsätzliche Haupttat vorgestellt habe, verneinte der BGH mit Hinweis auf die seit 1953 wiederhergestellte Nichtstrafbarkeit der versuchten Beihilfe (382).

 

II.2. Die Theorien der Lehre:

 

2.1. Vor 1871:

12 In der Lehre fand sich anfangs des 19. Jhs. eine Theorienvielfalt, die höchst unterschiedliche Kriterien zur Bestimmung und Abgrenzung der Täter- und Teilnehmerformen vorschlugen (vgl v.Birkmeyer Teilnahme 10 ff.; Winter Entwicklung): entweder die innere Einstellung (Täterwille oder Interesse an der Tat) des Handelnden (subjektive Theorie, ursprünglich begründet von Westphal) oder die unter die gesetzliche Formulierung der Tathandlung zu subsumierende äußere Ausführungshandlung (formal-objektive Theorie, ursprünglich begründet von Böhmer) oder auf die äußere Setzung der hauptsächlich wirksamen Ursache (materiell-objektive Theorie, ursprünglich bereits von Pufendorf begründet) oder in verschiedenen Varianten auftretende objektiv-subjektive (oder subjektiv-objektive) Mischtheorien. Dabei gab es ein dynamisches Auf-und-Ab der herrschenden Lehre. Die im 18. Jh. vorwiegend vertretene formal-objektive Lehre wurde bald im Anschluß an P. J. A. v. Feuerbach durch eine (neue) materiell-objektive Theorie abgelöst, die die Qualität der Ursache nach Art und Maß in den Vordergrund stellte (vgl. dazu Ling Unterbrechung). Man unterschied zwischen direkter und indirekter Wirksamkeit der Handlungen und bezeichnete im ersten Fall den Handelnden als “Urheber” (auctor), im zweiten Fall als “Gehilfe” (socius). Neben dem physischen anerkannte man den “intellektuellen” Urheber, der in vielem dem heutigen Anstifter entsprach. Innerhalb der Gehilfen unterschied man Hauptgehilfen (socius principalis) und Nebengehilfen, der die Wirksamkeit des Urhebers nur befördert oder erleichtert; auch die Unterscheidung von naher und entfernter Teilnahme wurde vertreten. Der Ansatz in einer Gewichtung der Kausalität wurde allerdings von vielen Theoretikern kritisiert, die statt dessen auf das Kriterium der Beschaffenheit des (inneren) Willens im Sinne der subjektiven Theorie abstellten (wie anhand der Auffassung des v.Buri sogleich näher dargestellt werden wird). Mit fließenden Grenzen gingen die Vertreter dieser subjektiven Theorien entweder von der Absicht (dem Vorsatz) als solcher/m (meist: im eigenen oder fremden Namen) oder von dem Zweck/ dem Motiv (zusammen: dem eigenen oder fremden Interesse) oder in einer Mischung von beiden aus. Schließlich versuchten die Hegelianer in der Strafrechtswissenschaft (vor allem A. F. Berner, H. Hälschner) eine Unterscheidung in der jeweiligen Handlung (als der Einheit von objektiven und subjektiven Momenten), vertraten also eine gemischte Theorie (vgl. dazu Ling Unterbrechung175 ff.; Schild Nachwort).

 

2.2. Nach 1871:

13 Auch nach Inkrafttreten des RStGBs 1871 wurden die unterschiedlichen Theorien weiterhin vertreten. Große Bedeutung (für das Rechtsleben, da sie - wie in Rn.6 gezeigt - von der Rechtsprechung übernommen wurde) kam dabei der subjektiven Theorie des Reichsgerichtsrates v.Buri zu, die jede mögliche Unterscheidung von wesentlichen und unwesentlichen Ursachen bzw. die Unterscheidung von Ursache und Bedingung ablehnte und alle als in gleicher Weise mitwirkende Bedingungen ansah. Obwohl v.Buri selbst einräumte, daß das RStGB nicht auf dieser (seiner) Theorie beruhte (Kausalität 1885, 42), zog er die Konsequenz, daß deshalb die Unterscheidung von Täter und Teilnehmer (vor allem: Mittäter und Gehilfe) nicht aus der äußeren Seite der Tat, sondern nur aus der inneren (subjektiven) Seite zu begründen sei. Im damaligen Verbrechenssystem war das Äußere dem Tatbestand und der Rechtswidrigkeit (als Erfolgsunrecht), das Innere der Schuld(haftigkeit) und hier vor allem dem psychologischen Schuldelement des Willens als des Vorsatzes zugeordnet. Dementsprechend konnte man das entscheidende (d.h.: das unterscheidende) Kriterium in dem Willen (Vorsatz) sehen, wie es die “formelle Dolustheorie” versuchte: der Täter habe den Willen (Vorsatz), die Tat als seine eigene zu begehen, während der Teilnehmer (Gehilfe) den Willen habe, an einer fremden Tat teilzunehmen. Doch lag bei der Gleichheit aller Bedingungen nahe, daß jeder Beteiligte - der eine solche mitwirkende Bedingung setzte - den Willen hatte, diesen Beitrag (und damit die von ihm mitbewirkte Tat) als seine(n) eigene(n) zu wollen. Deshalb lag es näher, auf die näheren Umstände dieses Willens (Vorsatzes) abzustellen, wie es die “materielle Dolustheorie” unternahm: sei es auf die Zwecke, also auf die Ziele der Absicht, sei es auf das Interesse, also auf die Beweggründe der Willensbildung. Danach war Täter, wer zu eigenem Zweck (eigenen Zwecken) und/ oder in eigenem Interesse tätig wurde, während der Teilnehmer (hier vor allem: der Gehilfe) lediglich fremden Zwecken dienen, in fremdem Interesse handeln wollte. Es war auch eine Verbindung von formeller und materieller Dolustheorie möglich, indem auf die Selbst- oder Unselbständigkeit der jeweiligen Zwecke bzw. Interessen abgestellt wurde: der Täter verfolge selbständige Zwecke, während der Teilnehmer (Gehilfe) seine Zwecke vollständig denen des Täters unterordne, weshalb die Schuld des Täters eine unbedingte (und selbständige), die des Teilnehmers/ Gehilfens eine untergeordnete (und unselbständige, vergleichbar dem dolus eventualis) sei. In den Arbeiten von v.Buri finden sich Stellen, die in die Richtung aller dreier Varianten zu interpretieren sind (vgl. die Nachweise in Birkmeyer Lehre 14 ff: ders. Teilnahme 27 f.), was die Überzeugungskraft dieser Auffassung mindern mußte. Dazu kam ein weiteres Problem. Denn jedenfalls war für alle subjektiven Varianten die Konsequenz notwendig, daß derjenige, der mit Teilnehmer/ Gehilfen-Willen tätig wurde, immer nur als Teilnehmer angesehen und bestraft werden konnte; also selbst dann, wenn er die “Haupthandlung” (oder die Ausführungshandlung) setzte. Doch zog v.Buri diese Konsequenz nicht, sondern sah in dem Willen, diese Handlung zu setzen, notwendig den Täterwillen: “der auf Begehung der Haupthandlung gerichtete Wille [kann] nicht als ein untergeordneter Wille angesehen werden” (Abhandlungen 118); “daraus, daß der beihelfende Wille den urheberischen Willen als den herrschenden betrachten muß, ergiebt sich ..., daß der Gehülfe keine Handlung vornehmen darf, von welcher er nicht erwartet, daß sich an dieselbe eine verbrecherische Thätigkeit anschließen werde, denn in diesem Falle würde sich sein auf Herbeiführung des Erfolges gerichteter Wille zum herrschenden machen” (Kausalität 1873, 129). Offensichtlich kam - zumindest in der inneren Widerspiegelung - der äußeren Tätigkeit doch eine unterschiedliche Bedeutung zu. Wie anders sollte denn auch die Akzessorietät der Teilnahme (also die Abhängigkeit von der Strafbarkeit des Teilnehmers von der Tat des Täters) begründet werden: setzten doch alle Beteiligten eine gleich wesentliche Bedingung für den verbrecherischen Erfolg (also das tatbestandsmäßig-rechtswidrige Unrecht); nur für die Strafwürdigkeit konnte der unterschiedliche Wille herangezogen werden.

 

14 Wegen dieser theoretischen Schwierigkeiten verstärkte sich seit Inkrafttreten des RStGBs die schon zuvor erkennbare Tendenz, zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe von objektiven Merkmalen auszugehen. Manche Autoren, die wie v.Buri von der Gleichwertigkeit aller Bedingungen ausgingen, sahen in dem Begriff des “Ausführens der Handlung” (vgl. § 47) den Hinweis auf die Ausführungs- als “Tatbestandshandlung” als Kriterium der (Mit-) Täterschaft (gegenüber der “Nebenhandlung” des Teilnehmers), vertraten also (wieder) die formell-objektive Theorie. Täter und Teilnehmer wurden - bei Gleichwertigkeit der Tätigkeiten als jeweilige Bedingungen (oder Ursachen) im naturwissenschaftlichen Sinne (der Kausalitätsfeststellung) - durch unterschiedliche normative Bestimmung (also durch Bewertung) unterschieden. Die Täterhandlung mußte unmittelbar sich unter die sprachliche Formulierung der Tatbestandshandlung subsumieren lassen, also selbst und als solche den gesetzlichen Tatbestand erfüllen: z.B. als “typische” oder “geeignete (adäquate)” Ausführungshandlung. Allerdings ergaben sich für die Mittäterschaft Schwierigkeiten der konsequenten Anwendung dieser Theorie, die daher häufig aufgeweicht wurde. Man konnte zusätzlich auf subjektive Merkmale (des Willens) zurückgreifen oder auf die Handlung in der Einheit von äußeren und inneren Merkmalen abstellen; es war auch möglich, sich mit einer Handlung zu begnügen, die zwar nicht als solche, aber doch aufgrund ihres notwendigen Zusammenhanges mit einer Tatbestandshandlung bei natürlicher Auffassung als deren Bestandteil erschien; manche suchten den Zusammenhang mit der Ausführungshandlung als Kriterium der Abgrenzung von Vorbereitung und Versuch, stellten also auf den zeitlichen Beginn der Tatausführung ab, usw. Nicht begründen konnte diese Theorie jedenfalls die mittelbare Täterschaft, da bei dieser die Ausführungshandlung die als Werkzeug eingesetzte Person (und nicht der Hintermann) setzte. - Diese Probleme führten andere Autoren (wiederum) zu dem Versuch einer materiell-objektiven Theorie, nämlich aus der Gesamtheit der Bedingungen diejenige herauszunehmen und zum Kriterium der Täterhandlung zu machen, der eine hervorragende Bedeutung zukam (als “hinreichende”, “notwendige”, “vorzügliche”, “letzte”, “unmittelbare”, “wirksamste” Bedingung) und die man (deshalb) als “Ursache” betrachtete, während der Teilnehmer nur eine “einfache (bloße) Bedingung” setzte. Diese kausalitätsbezogene Auffassung sah man zudem als mit der Lehre von der Willensfreiheit vereinbar an, selbst wenn man diese “Freiheit” mit einer “Unterbrechung des Kausalzusammenhanges” in Verbindung brachte (dazu Ling Unterbrechung): denn man sah in der Bestimmungshandlung des Anstifters nicht das Setzen einer Ursache, sondern nur einer (Neben-) Bedingung. Konsequenz allerdings war das Erfordernis der Kausalität der Gehilfenhandlung (als Setzung einer ebenfalls [zumindest mit-] wirksamen Bedingung), weshalb ein bloßes Fördern der Täterhandlung nicht ausreichend war. Daneben wurde auch eine andere Variante einer materiell-objektiven Theorie vertreten, die die bewertete Bedeutung des jeweiligen Verhaltens für das tatbestandlich geschützte Rechtsgut für maßgebend hielt und die Handlung des unmittelbareren und stärkeren Angriffs der Täterschaft, die des mehr mittelbaren und schwächeren Angriffs der Teilnahme zuwies: der Täter greife das Rechtsgut(sobjekt) an, der Gehilfe bereite den Angriff vor oder sichere ihn. Manchmal wurde auch der Gefährdungs- und Gefährlichkeitsgedanke (z.B. wegen der generellen Eignung des Verhaltens zur Erfolgsverursachung) in den Vordergrund gestellt.

 

15 Darüber hinaus wurden auch gemischte Theorien vertreten, die eine Vermittlung von objektiven und subjektiven Kriterien (oft innerhalb eines Handlungsbegriffes) zum Gegenstand hatten. So konnte man für Täterschaft die “Haupthandlung” verlangen und für Teilnahme eine (u.U. bloß förderliche) Nebenhandlung genügen lassen. Ausdrücklich sei auf zwei Sondertheorien hingewiesen, die wegen der Mitgliedschaft ihrer Begründer in der Großen Strafrechtskommission bedeutenden Einfluß auf die Reform 1975 hatten. Zunächst ist die Variante der subjektiven Theorie zu nennen, die E. Mezger nach 1933 entwickelte. Ursprünglich (in dem Lehrbuch 1931) hatte er eine formal-objektive Theorie der Täterschaft vertreten: denn an sich sei der kausale Tatbeitrag der Grund der Strafbarkeit jedes Beteiligten (Strafrecht 411); doch sei der Kausalzusammenhang i.S.der naturwissenschaftlichen Äquivalenztheorie als solcher rechtlich nicht relevant, sondern nur der sich aus den strafgesetzlichen Tatbeständen ergebende und für die Tatbestandserfüllung maßgebende Zusammenhang (116 ff., 123): nämlich bei den Erfolgsdelikten eine adäquate (typische) Ausführungshandlung (124, 416) bzw. bei den “Sonderdelikten” und “eigenhändigen” Delikten die näher umschriebene Handlung (des Intraneus) (417 ff.); bei den zuletzt genannten Deliktsgruppen seien §§ 48, 49 Strafbarkeitsausdehnungsgründe, während sie bei den übrigen Delikten Strafeinschränkung bedeuten würden (416): an sich seien die Teilnehmer adäquat verursachende (und daher tatbestandsmäßig handelnde) Beteiligte, würden aber durch diese Regelungen auf die durch Bestimmung bzw. Förderung umschriebene Herbeiführung des Erfolges durch einen anderen als vollverantwortlichen Täter herabgestuft (410, 432, 439). Dies bedeutete: maßgebend sei die “juristisch-normative Bewertung des einzelnen Tatbeitrags” (444). Nach 1933 lehnte Mezger eine gesetzespositivistische Sicht dieser Bewertung ab, aber auch eine phänomenologische Wesensschau, und stellte auf das “lebendige Recht” ab, das hinter Gesetz und gesundem Volksempfinden stehe und in ihnen nur seinen faßbaren Ausdruck finde, weshalb auch für die Beteiligtenfrage auf “im lebendigen Rechtsbewußtsein geschichtlich gewordene und geschichtlich geformte Wertgebilde” abzustellen sei (Deutsches Strafrecht 24 ff., 127); bestes Mittel, sich mit dem lebendigen Recht der Gegenwart vertraut zu machen, sei die Berücksichtigung der Rechtsprechung (9), die deshalb nun auch als maßgebend zugrunde gelegt wurde. So wurde der Verzicht auf einen kausalen Tatbeitrag des Gehilfen akzeptiert (127); so wurde vor allem wegen des Übergangs zum Willenstrafrechts der subjektive Ausgangspunkt des RGs als geltendes Recht zugrunde gelegt (128, 132): maßgebend sei (nun) die Willensrichtung der einzeln handelnden Person, nämlich der Wille des Täters, die Tat als eigene zu begehen, bzw. der Wille des Gehilfen, eine fremde Tat zu fördern (128, 136). Deshalb sei nun die Täterschaft durch drei Merkmale zu bestimmen: Täterwille, Erfolgsverursachung, Tatbestandsmäßigkeit (129), wobei mittelbare Täterschaft auch durch einen Gehilfen als doloses oder absichtslos-doloses Werkzeug möglich sei (132). Konsequent sei ein Teilnehmer - der wegen Nichterkennens der Werkzeugeigenschaft des Ausführenden nur Teilnehmervorsatz habe - wegen Teilnahme zu bestrafen, obwohl er mangels strafbarer Haupttat nicht Teilnehmer sein könne (135, 137). Freilich nahm Mezger diesen subjektiven Ansatz nicht wirklich an. Denn: wer die Werkzeugeigenschaft des z.B. schuldunfähigen Ausführenden kenne, “will, auch wo er ihn nur unterstützt, schon damit die Tat `als eigené” (137), sei damit Täter; was bedeutete: daß der Täterwille letztlich eine “juristisch-normative Bewertung” darstellte. In diesem Sinne charakterisierte Mezger selbst seine Auffassung (auch nach 1945): es komme darauf an, was der Handelnde wolle, doch unterliege der Inhalt dieses Wollens einer “objektiven Beurteilung”, weshalb nicht der subjektive Sinn der Handlung, sondern der “objektive Sinn” maßgebend sei (Wege 29). Deshalb handle derjenige, der weiß, daß der von ihm zur Ausführung Bestimmte unvorsätzlich oder schuldunfähig tätig wird, mit “echtem Täterwillen”, unabhängig, wie er selbst seine Bestimmung einschätze (30 Fn.4). Es ist anzumerken, daß der BGH in BGHSt 2, 150 (aus 1952) dieses Verständnis der subjektiven Theorie - die dadurch eigentlich eine normative Theorie (oder eine Zurechnungslehre) geworden ist - übernommen hat (vgl. Rn.9). Sodann ist die Theorie von Richard Lange zu erwähnen, der 1935 einen materiellen Täterbegriff vom Standpunkt des Willensstrafrechts aus dem gesunden Volksempfinden begrifflich-scharf abzuleiten unternahm (Täterbegriff 1). Ausgang war die Verwirklichung des Tatbestandes, der als “Deliktstypisierung” (und damit im Hinblick auf Rechtswidrigkeit und Schuld formuliert) aufzufassen sei (3 ff., 10, 35). Das (R)StGB typisiere in diesen Tatbeständen bestimmte Handlungen “als strafwürdig nach Wertgesichtspunkten, die sich aus ... obersten Strafrechtswerten ableiten. Wessen Handeln diesen Typen ... unterfällt, ist Täter” (21). Unter Wertgesichtspunkten könne eine Straftat aber nicht nur als Rechtsgutsverletzung (d.h. als Verletzung typisierter Interessen) verstanden werden, sondern immer nur als eine “typisierte Interessenverletzung” (24), die auf den Sinn der Strafe - die immer Vergeltung und Sühne sei - bezogen werden müsse, weshalb das “Wesen des Verbrechens” auch ein “irrationales Moment” enthalte: den Verstoß gegen eine Norm, gegen die Gebote der Volksgemeinschaft, einen Ungehorsam, der Sühne fordere (25). Deshalb sei - sowohl nach dem Volksempfinden als auch nach dem (R)StGB - neben der tatbestandsmäßigen (nämlich: typischen, generell geeigneten) Handlung als der Rechtsgutsverletzung (und dem darauf bezogenen Vorsatz als Handlungswillen) erforderlich, “daß der Täter eine eigene Tat begehen und wollen, daß die Tat sein Werk sein müsse, daß der Täter das Subjekt der Tat sei” (43); was z.B. immer dann - im Sinne der protestatio facto contraria - anzunehmen sei, wenn der Betreffende die volle Ausführung vorgenommen habe (47), oder was auch für den Mittäter gelte, da dieser die Komplizen als Werkzeuge ansehe und deren Kräfte seinen eigenen Zwecken dienstbar machen wolle (60, 64). Dieser Wille - die Tat als eigene zu begehen - trete zu dem Handlungswillen als überschießende Innentendenz (und damit als spezifisches subjektives Unrechtsmerkmal) dazu (60, 65) und bestehe in dem Wollen - nicht einfach nur der äußeren adäquaten Handlung, sondern - dieser Handlung als eines Mittel zu einem weiteren (eigenen) Zweck, wodurch das Handeln als “sinnerfülltes” gewollt werde (59, 61). Dagegen sei z.B. die Gehilfenhandlung durch die überschießende Innentendenz getragen, die Tat eines anderen zu fördern, weshalb der Gehilfe nicht das “Subjekt” der Tat sein wolle (und sei) (60). In diesem Sinne schlug Lange eine gesetzliche Regelung der Täterschaft vor: “Täter ist, wer durch eigenes Handeln oder dadurch, daß er andere veranlaßt, für ihn (oder: statt seiner) zu handeln, eine Tat begeht oder zu begehen unternimmt” (79). Der Sache nach vertrat Lange eine objektiv-subjektive Einheitstheorie (57), die die Zurechnung des Geschehens zur Täterschaft (so 58) von der Adäquanz der Handlung und dem Täterwillen abhängig machte und als Problem des tatbestandsmäßigen Unrechts bestimmte (vgl. 61); wobei freilich dem subjektiven Moment ein gewisser Vorrang eingeräumt wurde, da es nicht maßgebend sei, wie z.B. die anderen Beteiligten objektiv handelten, sondern die subjektive Einschätzung des Handelnden (66, 77). In dem 1940 erschienenen Werk kennzeichnete Lange diese Einheit als “Handlung”, die nämlich in ihrer dem Gesetzgeber vorgegebenen, sozial-sinnhafter Bedeutung heranzuziehen sei (Teilnahme 10, 69 f., 88, 95) und - als vorsätzliche Handlung - durch den Willen (als Willensverwirklichung, als zielstrebiges Gestalten) aufzufassen sei (61 unter Hinweis auf Welzel). Danach sei der Täter als das personale Zentrum zu bestimmen, dessen Handlung durch irrationale (d.h. über die Rechtsgutsverletzung hinausgehende) sozialethische Momente (z.B. eines Treubruchs, einer Pflichtverletzung, einer herausragenden Herrschaftsstellung) bestimmt sei (56, 65, 98), weshalb die Täterschaft durch eine “besondere personale Intensität des Sich-Vergehens” gekennzeichnet sei (58). Deshalb sei zur Täterschaft neben der tatbestandsmäßigen Handlung (im Sinne einer adäquaten Erfolgsherbeiführung) eine “nach der persönlichen Seite hin intensiviert[e]” “Mißbilligung der Tat” im Sinne der “Deliktstypizität” erforderlich (56), während die als Auffangtatbestände aufzufassende Teilnahme sich mit der bloßen kausalen Mitwirkung (Erfolgsbeförderung) begnüge (57, 98). Mit dieser Lehre konnte Lange das Beteiligungsproblem vor allem bei den Sonder- und eigenhändigen Delikten lösen (und auch sein eigentliches Thema: der notwendigen Teilnahme), doch galt sie auch für die (einfachen) Erfolgsdelikte: auch hier müsse die Tat “handlungsmäßig gesehen ... sein eigenstes Werk sein” (vgl. 66). Darüber hinaus wurde das Problem der Teilnahme am Suizid gelöst, indem dieser als (eigene) sozial-sinnhafte Handlung des Sichtötenden - also als “Selbsttötung[shandlung]” - aufgefaßt wurde, die der Gesetzgeber als solche vorfinde, aber nicht tatbestandsmäßig über- bzw. angenommen habe (69 f.), weshalb der Suizid - sozusagen als “negativer Tatbestand” (vgl. 68 f., 87) - keine tatbestandsmäßige Tötungshandlung darstelle (an der man sich daher auch nicht als Teilnehmer beteiligen könne). An dieser von Lange durchgeführten “Materialisierung des Handlungsbegriffs” (71) - im Sinne eines “materiellen, an der sozialen Bedeutung des Geschehens orientierten Handlungsbegriffs” (88, 95) - änderte auch die eigene Charakterisierung dieser Lehre als einer “Tätertypentheorie” (vgl. 68) nichts, wonach “nicht bestimmte Handlungen, sondern ein bestimmter Handelnder ... verantwortlich gemacht [wird]” (87): denn er wird immer nur für diese eigene sozial-sinnhafte und tatbestandsmäßige Handlung - die die Straftat ist - bestraft.

 

16 Schließlich gab es auch Theorien, die die Unterscheidung innerhalb der Beteiligten für unmöglich hielten und daher der Sache nach für eine Einheitstäterlehre eintraten, wonach jede Mitwirkung - im Sinne des Setzens einer Bedingung - täterschaftsbegründend sein sollte (wie es eigentlich auch dem ursprünglichen Konzept von Mezger zugrunde lag). Unterschiede wurden dann nur für die vom Richter durchzuführende Strafzumessung anerkannt, sofern man nicht versuchte, gegen zu große Richtermacht eine bestimmte normative Typisierung zu erarbeiten. So meinte z.B. J. Kohler, daß es sich bei Mittäter und Gehilfen “nicht um prinzipielle Begriffsschranken, sondern um Intensitätsgrade handelt, so daß jemand, welchem sonst nur Gehilfenschaft zuzuschreiben wäre, im Falle einer besonders intensiven Mitwirkung zum Mittäter wird”; die von den anderen Theorien zugrunde gelegten Kriterien seien größtenteils richtig, aber lediglich als Symptome für diese Intensität heranzuziehen, die in dem jeweiligen Fall gegeneinander abgewogen werden müßten (Studien 97 f.).

 

17 Die Theorienvielfalt brachte H.U. Kantorowicz anfangs des 20. Jhs. in dem bekannten Statement zum Ausdruck: “Die Teilnahmelehre ist das dunkelste und verworrenste Kapitel der deutschen Strafrechtswissenschaft; die wahrhaft betäubende Fülle entwickelter Streitfragen, die hier aufgesproßt ist, hat einen nur allzu begreiflichen Widerwillen gegen die heutige Regelung erzeugt” (MschrKrim 1910/11, 306; Heraushebung nicht im Original). Verständlich war daher das 1902 einsetzende Reformvorhaben. Doch kam es im Verlauf der Vorarbeiten und Diskussionen zu einer Verschärfung der Gegensätze, da die unterschiedlichen Richtungen eigene Gesetzesvorschläge unterbreiteten. Selbst während des NS-Regimes blieb der Schulenstreit lebendig, da zwar einerseits das subjektive Element des inneren Täterwillens der Auffassung von einem gegen den Rechtsfeind gerichteten Willensstrafrecht entgegenkam, andererseits aber auch anerkannt wurde, daß die Volksauffassung - die als Rechtsquelle zugrunde zu legen war - die unterscheidenden Kriterien im äußeren (objektiven) Gewicht der einzelnen Tatbeiträge sah. Nach 1945 wurden die genannten subjektiven und objektiven Theorien nicht mehr in “Reinform” vertreten. Meist waren es “Mischtheorien”, die auf einer vielfältig möglichen Kombination von inneren (subjektiven) und äußeren (objektiven) Merkmalen abstellen und/ oder die normative Dimension einer teleologisch wertenden Täter- und Teilnehmerbestimmung betonten. Eindeutig führend wurde die Tatherrschaftslehre, die wegen ihrer Bedeutung (auch für das geltende Recht) gesondert dargestellt werden soll.

 

II.3. Die Tatherrschaftslehre:

18 Auch die Tatherrschaftslehre war als Mischtheorie konzipiert, als Synthese von objektiven (äußeren) und subjektiven (inneren) Merkmalen. Sie wurde - nach Ansätzen bei Hegler (1915), Frank und Goldschmidt (1931), Bruns (1932), H. v.Weber (1935), Eb. Schmidt (1936) und umfassend, aber ohne Einfluß Lobe (1933) - 1939 von Hans Welzel begründet (dazu 3.1.), 1954 von Reinhart Maurach auf einen treffenden Begriff gebracht (dazu 3.2.) und im selben Jahr von Wilhelm Gallas in seinem Gutachten für die Strafrechtskommission weiterentwickelt und rechtspolitisch wichtig gemacht (dazu 3.3.); und sie wurde 1962 von Claus Roxin zu einem Abschluß im wahren Sinne des Wortes gebracht: zur Vollendung einerseits, zur Überwindung andererseits (dazu 3.4.). Es muß darauf hingewiesen werden, daß diese drei Theorien zum StGB (letztlich von 1871 in der Fassung von 1943) entwickelt wurden, also zu einem Gesetz, das selbst keine Bestimmung des Täters enthielt (und die Mittäterschaft als Form der Teilnahme regelte). Deshalb ist die Tatherrschaftslehre nicht als Interpretation des StGBs entstanden, sondern beruhte vor allem bei Welzel auf einer philosophischen Grundlage. Selbst das differenzierte System Roxins muß (zunächst) als rechtsgeschichtliches Phänomen dargestellt werden, das in wesentlichen Teilen zu Ergebnissen kam, die von der heute geltenden Gesetzesfassung abweichen; die Weiterentwicklung als Interpretation des ab 1975 geltenden Rechts ist gesondert darzustellen (Rn.xxx). Auf andere Varianten der Tatherrschaftslehre und auf Theorien, die zwar ebenfalls noch zum geltenden alten StGB entstanden sind, aber gegenüber den genannten Konzepten eindeutig zurücktraten, ist hier nicht einzugehen.

 

3.1. Die Theorie von H. Welzel:

19 H. Welzel setzte in seinen “Studien zum System des Strafrechts” (1939 [Abhandlungen 120]) bei der Handlungslehre an. Er lehnte die klassische Auffassung, die “Handlung” (“Verhalten”) als “willkürliche Körperbewegung” definierte, ab, da er deren Abstraktionscharakter nicht akzeptieren wollte. Ihm ging es um eine philosophische Handlungsbestimmung, die das Wesen/ den Begriff der Handlung entfalten sollte: und zwar im Gesamten des Rechts, das sich in der “praktischen Lebenswirklichkeit” - die eine höchst differenzierte und durch unterschiedliche “Seinsstrukturen” geprägt ist (wobei Welzel sich auf die Ontologie von N. Hartmann berief [108 Fn.67; vgl. dazu xxx]) - als der “Welt des praktisch-sozialen Lebens” dynamisch-geschichtlich entfaltet (vgl. 124 f.; zur grundlegenden “ontischen Wertlehre” im Gegensatz zu einem Positivismus und einer abstrakten Wertphilosophie vgl. die Habilitationsschrift aus 1935 [84 ff.]; zum Ganzen vgl. xxx). Deshalb setzte Welzel auch nicht beim strafgesetzlichen Tatbestand (und einer möglichen “juristischen Handlungslehre”) an, da dieser ohnehin nur als eingebettet in die “durch die metaphysische Werthaltung durchstrahlte und nach ihr `gegliederte Lebensordnung des Volkeś” - eben: in dieses lebendige Recht - wahrhaft begriffen werden könne (104 ff., 113), weshalb die juristischen Begriffe des Gesetzes (und der Rechtswissenschaft) ihren “natürlichen Seinscharakter” nicht verlieren könnten (106). Welzel suchte somit nach dem Wesen der “sozialen Handlung” (vgl. die Überschrift 120), verstand darunter aber nur diese Einbettung der Handlung eines je Einzelnen in die praktisch-soziale Lebenswelt (und nicht auch z.B. die Rückbindung des Handelnden in das allgemeine Anerkennungsverhältnis, wie es eine “wirkliche” sozial-rechtliche Handlungsbestimmung unternehmen würde [vgl. Wolff xxx; Köhler xxx; Klezewski xxx]). Diese einzelne (und vereinzelte) Handlung selbst bestimmte er als “finale Beziehung des Willens zum Erfolg”: der Erfolg “gehöre” der handelnden Person als ihr “Werk” “zu”, weil bzw. wenn ihr Wille das Kausalwerden sinnhaft reguliere/ reguliert habe und das Geschehen zu ihm hin steuere/ gesteuert habe (108). Der Wille komme als “Kausalfaktor” in Betracht (108), der ein Geschehen “ontologisch” als “(finale) Handlung” konstituierte (109, 111), wodurch zugleich die Bedeutung der “Person” für das Recht klargestellt sei (111 Fn.75) (weshalb man auch von einer “personalen Handlungslehre” sprechen könnte). Allerdings werde bei dieser (ontologisch-rechtlichen) Handlungsbestimmung der Wille als gegeben vorausgesetzt (vgl. 130). Thematisiere man ihn als solchen (und nicht in seiner finalen Realisierung), werde deutlich, daß er von der Person durch den Akt einer Wertentscheidung gebildet werde (109), was bedeute, daß ontologisch die Stufe/ Schicht des finalen Handlungsgeschehens - das bereits über der tieferen ontologischen Schicht des (bloßen) Kausalgeschehens angeordnet sei - überstiegen werden müsse zugunsten der “höchsten Schicht personell-geistigen Lebens”, die die Fähigkeit der Person anspreche, “einen Entschluß auf den Sinngehalt der Werte ideel gründen zu können” (109). Ein das Wesen erfassender Handlungsbegriff müßte daher alle drei ontologischen Schichten verarbeiten, also abstellen auf die wertbezogene Entscheidung einer Person zu einem Willen, der als Finalität das Kausalgeschehen steuern kann, weshalb der gewollte und erreichte Erfolg der Person als ihr Werk zugehört. In dieser Weise unterschied Welzel 1939 zwischen der “finalen” und “emotionalen Seite der Handlung” (130 f.) und bestimmte die Handlung als “eine untrennbare Ganzheit finaler und emotionaler Momente” (132); noch mehr: “die entwickelte Handlungslehre ist die `Verbrechenślehre selbst (d.h. die sozialethisch-bedeutsame Handlung in ihrer rechtlichen Daseinsweise)” (125; vgl. daher auch 132 Fn.25). Doch ordnete er diesem (philosophischen) Handlungsbegriff die strafrechtsdogmatische Unterscheidung von “Unrecht” und “Schuld” zu, bezog ersteres auf die finale Seite, letztere auf die emotionale Seite und reduzierte dann den (von daher: nur strafrechtlichen) Handlungsbegriff auf das Unrecht (das dadurch als “Handlungsunrecht” [oder auch: personales Unrecht] bezeichnet werden könne). So wurden für die Zwecke der Strafrechtsdogmatik - nämlich vor allem ein schuldloses Unrecht begründen zu können (vgl.131) - die ontologischen Stufen/ Schichten von “Finalität” und “Wertentscheidung” getrennt und ein ontologischer “finaler Handlungs(unrechts)begriff” und ein ontologischer “wertentscheidungsbezogener Schuldbegriff” zur Grundlage des Systems gemacht (so schon 109). Deshalb (vgl. Schild FS-Messner 265 ff.; Merkmale 14 ff.) bezeichnete Welzel die klassische Lehre als “kausale” Handlunglehre, die deshalb falsch sei, weil sie die Handlung der Schicht des Räumlichen (die durch die “Kausalität” als Fundamentalkategorie determiniert werde) zuordne; doch sei die menschliche Handlung als Zwecktätigkeit wegen ihres notwendigen Bezugs zum Bewußtsein der Schicht des (unräumlichen) Seelischen zuzuordnen, die durch die Kategorie der “Finalität” determiniert sei. Somit war Welzel der Begründer der “finalen Handlungslehre”, die Handlung als finale Überdeterminierung des Kausalgeschehens zu begreifen suchte (129): nämlich einerseits als bewußte Setzung eines Zwecks/ Ziels [finis] unter Ausarbeitung des Weges, auf dem dieses Ziel erreicht werden könne, andererseits dann das reale kausale Herbeiführen dieses Zieles (Erfolges) durch die Steuerung des Geschehens im Sinne dieses Handlungsplans. Wesentlich war dabei die Finalität nicht als das subjektive (innere) Vordeterminieren (im Bewußtsein), sondern als das durch dieses Seelische überdeterminierte objektive (äußere) Geschehen, das sich als reales finales Geschehen (eben: als Handlung) begreifen ließ. Den inneren finalen Plan setzte Welzel mit dem (Handlungs-) Vorsatz gleich und nannte diesen auch “Willen” (weshalb er die Handlung auch bestimmen konnte als “eine vom zwecksetzenden Willen beherrschte reale Sinneinheit, eine Willensverwirklichung im prägnanten Sinne, nämlich die Verwirklichung des vom Willen gesetzten Handlungssinnes” [130]). Doch muß (nochmals) gesehen werden, daß die eigentliche Schicht der Wirklichkeit - zu der der Wille gehörte - über dem Seelischen gesehen und als Schicht der freiheitlich selbstbestimmten Welt begriffen wurde, als “objektiver Geist”, als das geistige Leben der konkreten Ordnungen des Volkes. Dieser Schicht ordnete Welzel die an Werthaltungen orientierte, freiheitliche Bildung des Willens zu, durch die die unteren Schichten der Wirklichkeit überdeterminiert würden: der in selbstbestimmter Freiheit gebildete Wille setze das eigentliche/ wirkliche/ vernünftige/ rechtliche Ziel, dessen Herbeiführung durch das finale Planen des Bewußtseins (als des Wissens um die Kausalgesetze) konkretisiert und dann durch die Steuerung des Kausalgeschehens realisiert werde. Die Terminologie Welzels war deshalb nicht ganz korrekt: der Wille in seiner geistigen Wirklichkeit (als Wollen des Vernünftigen/ des Allgemeinen, als sittlich-autonomer Wille) hätte nicht zur inhaltlichen Bestimmung der finalen Handlung herangezogen werden dürfen, sondern umgekehrt die Handlung in der inhaltlichen Bestimmung durch den Willen als geistiges Phänomen der dritten Stufe der Wirklichkeit zugeordnet werden müssen: also Handlung als reale Gestaltung der Welt durch sich selbstbestimmende Freiheit. Welzel abstrahierte in seiner Handlungslehre von diesem Grund in der Freiheit und reduzierte den Handlungsbegriff auf das seelische Moment des Kausalwissens (durch das der Wissende das Kausalgeschehen steuern kann). Grund für diese Abstraktion (und damit letztlich: für eine philosophische Unterbestimmung des Wesens/ des Begriffs der Handlung) war nicht nur das bereits genannte strafrechtsdogmatische Interesse an der Unterscheidung/ Trennung von “Unrecht” und “Schuld”, sondern tiefergehend ein allgemeines Interesse am Strafrecht überhaupt: denn anders wäre es von der zugrunde liegenden Ontologie nicht möglich gewesen, eine Straftat überhaupt als “Handlung” (im eigentlichen Sinne) zu begreifen. Denn ontologisch kann nur die die Wirklichkeit des Geistigen/ der Werte/ des Vernünftigen konkretisierende freiheitliche Willensbestimmung die Kraft der Überdeterminierung des seelischen und räumlichen Geschehens haben. Jede Straftat verfehlt aber notwendig diesen geistigen Inhalt, muß sich als Fehlverhalten erweisen, in diesem Sinne: als Negation der eigentlichen Handlung, als Nicht-Handlung (oder als bloßer Schein einer Handlung) (weshalb sie als äußeres Geschehen ja selbst auch durch Schadenersatz oder durch Bestrafung aufzuheben ist). Welzel begründete somit eine “juristische Handlungslehre”, indem er aus der Not eine Tugend machte und auf das Moment der Schuld - also dieses Verfehlens der geistigen Schicht der Wirklichkeit - in seiner Handlungsbestimmung verzichtete zugunsten des - un-geistigen, nur auf das Wissen der Kausalgesetze abstellenden - finalen Geschehens und der Reduzierung des eigentlichen Willens auf den “natürlichen” Willen, der letztlich nur das Ingangsetzen des finalen Plans des Bewußtseins/ Wissens bedeutete. Somit konnte juristisch auch der Straftäter handeln, indem er den Vorsatz in der äußeren Welt verwirklichte, und somit “Handlungsunrecht” (oder “personales Unrecht”) begehen; noch mehr: auch ein Geisteskranker oder (sonst) ein unvermeidbar den Unwert seines Plans nicht Einsehender konnte (final) handeln, nämlich durch ihren (natürlichen) Vorsatz den Kausalverlauf “beherrschen”. Auch Schuldunfähige hatten somit “finale Tatherrschaft” durch Realisierung ihres Vorsatzes (vgl. 146); und das Realisierte war das strafrechtliche (tatbestandliche) Unrecht, das der handelnden Person als ihr Werk zugehörte. Dieses Ergebnis entspricht wohl auch dem Alltagssprachverständnis - das meist die Schulddimension nicht umfaßt -, weshalb der Fehler Welzels in seiner philosophisch-ontologischen Ableitung nicht auffiel (bis heute).

 

20 Diese Handlungs- und Unrechts(bzw. Tatbestands)lehre wurde selbstverständlich (wegen ihrer beanspruchten fundamentalen Begründung in der Philosophie des Stufen-/ Schichtenbaus der Welt, die jedenfalls als “sachlogische Strukturen” auch die juristische Dogmatik binden konnten und mußten, wollte sie sachangemessen sein) für die Abgrenzung des Täters vom Teilnehmer herangezogen, für die damit philosophischer/ ontologischer Rang beansprucht wurde (was nach dem Gesagten nicht haltbar ist, da es sich von vornherein um eine juristische, auf die Unterscheidung von Rechtswidrigkeit und Schuld bezogene Theorie war, die sich zudem durch Hinweis auf die Alltagssprache absichern konnte). Zunächst wurde der fundamentale Unterschied von Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikt zugrunde gelegt. Nur erstere könnten an einer Handlung (im finalen Verständnis) orientiert, also Handlungsunrecht sein, während letztere ohne dieses final-seelische Moment einer Steuerung nur einfache Kausalprozesse umfassen könnten (was im übrigen für die bewußte Fahrlässigkeit nicht so einfach zu begründen war, wenn man die oben angesprochene Problematik des Willensbegriffs bedenkt). Kausal würde aber auch der Teilnehmer tätig werden, weshalb für die Fahrlässigkeitsdelikte die Möglichkeit einer Abgrenzung zum Täter wegfallen müßte (160 f., 172 ff.). Streng (d.h. am Begriff) genommen kann es also keine “fahrlässig Handelnde” geben, sondern nur fahrlässig “Tätigwerdende”, die nur als Kausalfaktoren in Betracht kommen (172 ff.). Schwierigkeiten gaben allerdings die Fahrlässigkeitstatbestände auf, die auf eine finale Handlung abstellten (wie z.B. § 163 [Fahrlässige falsche Aussage oder Meineid]). Doch ordnete Welzel dieses Handlungsmoment in das Ganze der Verursachungstatbestände ein, da zwar Täter nur der so tatbestandlich Handelnde sein könne, er aber trotzdem den tatbestandlichen Erfolg nicht handelnd herbeiführe (173 ff.). Wieder streng genommen, könnte dann aber der Erfolg dem Tätigwerdenden nicht als Werk zugehören, was später zu einer “Jagd auf den Vorsatz im Fahrlässigkeitsdelikt” führte, auf die hier nicht eingegangen werden kann. Jedenfalls aber reichte für das Unrecht des Fahrlässigkeitsdelikts der Hinweis auf das Kausalwerden für den Erfolg nicht aus, weshalb Welzel auf die darin liegende Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt abstellte (177). - Für die Vorsatzdelikte dagegen war das Ergebnis klar: “Im Bereich finalen Handelns ... hebt sich die finale Täterschaft eindeutig von jeder Form finaler Beteiligung ab. Finale Täterschaft ist die umfassendste Form finaler Tatherrschaft. Der finale Täter ist Herr über seinen Entschluss und dessen Durchführung und damit Herr über `seiné Tat, die er in ihrem Dasein und Sosein zweckbewußt gestaltet. Anstifter und Gehilfe haben zwar auch eine gewisse `Tat́herrschaft, aber nur eine solche über ihre Beteiligung. Die Tat selbst untersteht allein der finalen Herrschaft des Täters. Ihre Teilnahme ist daher nur Beteiligung an fremder Tat. Der Anstifter regt zwar die fremde Tat an und der Gehilfe unterstützt sie, aber die finale Herrschaft über sie, die Herrschaft über den Entschluss und seine reale Durchführung hat allein der Täter. ... Der Täter ist der Herr über die Tat, indem er Herr über den Entschluss und dessen Durchführung ist” (161), “indem er seinen Willensentschluß zweckhaft durchführt” (164). “Die Gestaltung, die [der Täter] nach seinem Willensziel zweckvoll realisiert hat, gehört ihm als eigenes Werk spezifisch zu. Dabei ist dann gleichgültig, ob er diese Tat für sich oder für andere, im eignen oder fremden Interesse vollbracht hat, - wenn sie die zweckbewußte Durchführung seines Willensentschlusses ist, ist sie seine Tat” (163). Schwierigkeiten hatte Welzel bei den Delikten, deren Tatbestand nicht auf eine solche (finale) Handlung abstellt, sondern zusätzlich persönliche Voraussetzungen (wie z.B. besondere Pflichtenstellung als Beamter, Soldat, Kaufmann etc.) verlangt (164). Täter könne hier nur der Qualifizierte (Intraneus) sein, ohne daß ihm stets in der Realität des Handelns die finale Tatherrschaft zukommen würde. Inkonsequent stellte Welzel auf eine “soziale Tatherrschaft” ab (164), der sich der Extraneus einfügen könne und so als qualifikationslos doloses Werkzeug des mittelbaren Täterschaft tätig werde (164 f.). Parallel dazu anerkannte Welzel auch ein absichtslos-doloses Werkzeug (und eine mittelbare Täterschaft “ferner bei bindendem Befehl”) (165). Von der finalen Handlungslehre selbst her (und damit konsequent) lag die mittelbare Täterschaft durch ein nicht vorsätzliches Werkzeug auf der Hand ebenso wie die Ablehnung der mittelbaren Täterschaft, wenn dem Vordermann selbst die finale Tatherrschaft zukam (wie dem Schuldunfähigen oder dem sich in einem Verbotsirrtum Befindlichen). Somit leitete Welzel aus seiner Handlungslehre die “limitierte” Akzessorietät der Teilnahme ab (166 f.). Die Möglichkeit eines “Täters hinter dem Täter” lehnte er ab, da bei dem Vorliegen einer final-vorsätzlichen Haupttat der Hintermann nur als Teilnehmer in Betracht kommen könne. Ein Sonderproblem sah er in den “eigenhändigen Delikten”, deren Unwert nur durch unmittelbare Vornahme des unrechten Aktes selbst begründet werden könne (167 f.), weshalb sie nicht in mittelbarer Täterschaft begangen werden könnten (167 f.). Schwierigkeiten der finalen Handlungslehre für das vorsätzliche Unterlassungsdelikt sah Welzel nicht. - Mittäterschaft charakterisierte Welzel als “Tatherrschaft, deren Besonderheit darin besteht, dass die Tatherrschaft über die deliktisch einheitliche Tat nicht bei einem Einzelnen, sondern bei mehreren gemeinsam liegt” (169). Ihre Möglichkeit liege darin beschlossen, dass “die unrechtmäßige Handlung eine auf der zweckgerichteten Durchführung des Handlungsentschlusses beruhende Einheit mehrerer Teilakte ist. ... Sie ist die auf mehrere Personen verteilte Durchführung zweckhaft in einander greifender Teilakte eines von allen getragenen gemeinschaftlichen Handlungsentschlusses. Die Tatherrschaft steht hierbei allen gemeinsam zu: nicht ein einzelner, auch nicht mehrere Vereinzelte, sondern alle zusammen sind Träger des Tatentschlusses, und der Tätigkeitsakt jedes Einzelnen bildet mit denen der übrigen durch den vom gemeinsamen Handlungsentschluß gegebenen Zweckzusammenhangs ein einheitliches Ganze. Ein jeder ist darum nicht bloß Täter eines Teiles ..., sondern Mit-Täter am Ganzen; darum haftet er auch als Mittäter an der ganzen Tat” (169). Somit war für Welzel die Mittäterschaft nicht eine Sonderform der Alleintäterschaft, sondern der Täterschaft überhaupt, die entweder als Allein- oder als Mittäterschaft auftrete: erstere sei “Täterschaft des Ganzen”, letztere “Täterschaft am Ganzen” (170). Voraussetzung sei aber, dass jeder Mittäter “Mitträger des Tatentschlusses ist und an dessen in zweckmäßig ineinandergreifenden Teilakten sich vollziehender Durchführung mitbeteiligt ist. ... Das bedeutet, dass jeder bei Vornahme seines Teilaktes nicht nur seinen Willen zur Tat, sondern gleichzeitig auch den der übrigen mit durchführt” (170). Doch reiche das subjektive Moment nicht aus; erforderlich sei, dass der Täterwille der Beteiligten “innerhalb der Gesamttat objektive Bedeutung [hat], von objektiver Funktion [ist]. Das hat er dann, wenn die Gesamttat auch in den Beiträgen der übrigen Beteiligten von dem gemeinsam gefaßten Tatentschluß getragen ist, so dass nicht nur die Vornahme der Unterstützungshandlung für den daran Beteiligten eine Teilausführung des gemeinsamen Tatentschlusses ist, sondern auch die Vornahme der Ausführungshandlung für die Ausführenden zugleich die Mitverwirklichung des vom Unterstützenden mitgefaßten Tatentschlusses ist. Die ganze Tat muß - gemäß dem Tatplan - auch für die übrigen Beteiligten in Anlage und Ausführung die Verwirklichung des von allen getragenen Tatentschlusses sein” (171). Als bildhafte Veranschaulichung stellte Welzel auf die “Rollenverteilung” ab (171). Diese begnüge sich u.U. auch mit bloßen Unterstützungshandlungen im Vorfeld der Tat, wenn nur die angegebene Voraussetzung der “Mitträger[schaft] der finalen Tatherrschaft an der ganzen Tat” vorliege (171).

 

21 Die Teilnahme wurde als Gegenbegriff zur finalen Tatherrschaft bestimmt. Sie war weder mittelbare noch Mit-Täterschaft, daher nicht Teilnahme am Tatentschluß und an der finalen Tatherrschaft (vgl. 172), sondern die Beteiligung an fremdem (finalen, daher nicht notwendig auch schuldhaften) Handlungsunrecht. Als Handeln einer Person mußte auch das Anstiften und das Helfen von der Finalität her bestimmt werden, damit ebenso vorsätzlich sein. Für fahrlässig Tätigwerdende gab es die Unterscheidung Täter - Teilnehmer nicht (Rn.20).

 

3.2. Die Theorie von R. Maurach:

22 R. Maurach übernahm in seinem 1954 erstmals erschienenen Lehrbuch die Welzelsche Bestimmung der Handlung als “ein vom steuernden Willen beherrschtes, auf einen bestimmten Erfolg gerichtetes menschliches Verhalten” (125), zog aber die Verbindung zur Tatbestandslehre enger (als es Welzel 1939 getan hatte [wobei auf seine spätere Entwicklung hier nicht eingegangen werden kann]): die Handlungslehre bestimme die “Wertausfüllung des Tatbestandes” (127); mit der Konsequenz, daß der Vorsatz als subjektiver Teil des Tatbestandes einzuordnen sei (131). Maurach zog auch dieselben Konsequenzen für die Täterlehre (495 ff.). Grundsätzlich richtig sei ihre Begründung vom Tatbestand her; doch müsse die Wesensbestimmung der Handlung berücksichtigt und einbezogen werden (502). Für die Fahrlässigkeitsdelikte sei nur auf das Verhalten als Kausalitätsfaktor abzustellen, wodurch eine Unterscheidung von Täter und Teilnehmer ausgeschlossen sei (502 f.). Täterschaft bei den vorsätzlichen Delikten - und zwar sowohl durch Tun als auch durch Unterlassen - sei dagegen durch “das objektive Merkmal der Tatherrschaft” bestimmt, das Maurach in der berühmten, bis heute verwendeten Formel umschrieb als “das vom Vorsatz umfaßte In-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufes, [als] die dem Handelnden bewußte Möglichkeit finaler tatbestandsgestaltender Steuerung. Tatherrschaft hat jeder Mitwirkende, der in der tatsächlichen und ihm bewußten Lage ist, die Tatbestandsverwirklichung je nach seinem Verhalten ablaufen lassen, hemmen oder abbrechen zu können” (504). Dadurch werde der Täter(begriff) materiell (und primär, also unabhängig von der Abgrenzung zur Teilnahme [vgl.507]) bestimmt, wobei der einheitliche Gehalt der Tatherrschaft in verschiedenen Formen auftreten und damit verschiedene Formen der Täterschaft begründen könne (504). Stillschweigender Ausgangspunkt der strafgesetzlichen Tatbestände sei die “unmittelbare (oder eigenhändige) Täterschaft”, auf die daher die sprachliche Fassung zugeschnitten sei (504). Genauer ging Maurach auf diese Täterform nicht ein, da sie offensichtlich der allgemeinen dogmatischen Darstellung zugrunde lag. Ausführlicher widmete sich Maurach der zweiten Form: der mittelbaren Täterschaft, bei der sich der Täter “zur Ausführung einer vorsätzlich begehbaren Straftat eines anderen Menschen als Tatmittlers (Werkzeug) bedient” (505). Ihr Schwerpunkt liege im Mißbrauch eines unfreien Menschen, der nur möglich sei, wenn der Hintermann diese Tatherrschaft innehabe, womit er von Anfang bis zum Ende den Ablauf der Geschehnisse unter Kontrolle habe (508). Dies gelte offensichtlich für die Fälle, in denen in der Tätigkeit des Ausführenden ein wesentliches Verbrechensmerkmal fehle; es treffe aber auch auf ein volldeliktisch handelndes Werkzeug zu, da dem Hintermann ebenso eine “Kraftreserve” verbleibe, die ihn zu diesem Einsatz als bloßes Werkzeug befähige (508). Maurach anerkannte diese Täterform bei nicht tatbestandsmäßigem Tätigwerden des Werkzeuges (das ohne vorausgesetzte Täterqualifikation - also als Extraneus - wirke, sich selbst schädige oder unvorsätzlich agiere; nicht aber für den Fall, daß es ohne die erforderliche überschießende Absicht, aber vorsätzlich agiere [511]), bei dessen rechtmäßigem Verhalten und bei fehlender “Tatverantwortung” des Werkzeugs (wenn diesem ein normgemäßes Handeln nicht zuzumuten sei [514 f.]. Maßgebend sei jedenfalls stets das wirklich feststellbare Vorliegen dieser objektiven Tatherrschaft; weshalb z.B. keine mittelbare Täterschaft anzunehmen sei, wenn der Betreffende die dem anderen drohende Gefahrenlage lediglich vorfinde und er nur Anweisungen zur Überwindung der Gefahr durch die Tat erteile oder ihm hierbei nur behilflich sei; erforderlich sei das Begründen dieser Gefahrenlage (etwa durch Nötigung im Sinne des § 52) oder ihr doloses Provozieren (515). Als ausdrücklich geregelten Fall von mittelbarer Täterschaft nannte Maurach den früher geltenden § 47 MilStGB, wonach im Falle des militärischen Befehlsnotstandes der befehlende Vorgesetzte als Täter verantwortlich sei (514 f., 356). Als Grenzfälle erörterte Maurach das schuldunfähige und das ohne Unrechtsbewußtsein handelnde Werkzeug, für das er die Möglichkeit der Tatherrschaft und damit der (mittelbaren) Täterschaft ebenfalls bejahte (515 f.); wie auch für den Fall, daß der Hintermann einen bereits Tatentschlossenen die Ausführung ermögliche oder wesentlich erleichtere (516); jeweils vorausgesetzt, daß der Hintermann tatsächlich dieses Geschehen steuere und den Ablauf in den Händen halte. Anzumerken ist, daß Maurach auch eine “psychologische Tatherrschaft” annahm, wenn der Hintermann seinem Opfer eine unheilbare Krankheit oder die Bereitschaft, ihm in den Tod zu folgen, vorspiele und es dadurch zum Suizid bewege (517). Ohne Problematisierung wurde eine mittelbare Täterschaft durch Unterlassen anerkannt, nämlich in zwei Fällen: wenn der Unterlassende die erfolgsauslösende Tat des Werkzeugs - die ihrerseits sowohl Handeln als auch Unterlassen sein könne - herbeiführe; wenn der Hintermann durch eigene Aktivität eine erfolgsbedingende Unterlassung des Werkzeugs verursache (517) (welche Lösung Maurach in späteren Auflagen wegen offensichtlicher Unrichtigkeit [da hier kein Unterlassen relevant war] wegließ). - Mit der Regelung der Mittäterschaft in § 47 war Maurach nicht einverstanden: erstens, weil sie unhaltbar als Form der Teilnahme angesehen werden; zweitens, weil jeder der Mitwirkenden “als Täter” zu bestrafen sei, d.h. offensichtlich nur “als” solcher gelte, während doch jeder Mittäter Täter “ist” (519). Maßgebend sei auch hier die Tatherrschaftslehre als eine “materiell-objektive” (später auch genannt: “final-objektive”) Theorie, die einerseits die subjektive Lehre ablehne, andererseits aber auch unter “Tatausführung” nicht an der Formulierung des jeweiligen Tatbestandes haften bleibe, sondern zwar einerseits an diese formal-objektive Lehre anknüpfe (und deren Ergebnisse übernehme), anderseits aber darüber hinaus die Tatherrschaft als “materiellen Grundsatz” ansehe (527). Mittäter sei deshalb, wer - im Rahmen eines gemeinsamen Tatentschlusses - einerseits selbst ein Tatbestandsmerkmal verwirkliche oder anderseits zwar nur vorbereitend oder unterstützend tätig werde, aber darin die arbeitsteilige Herbeiführung des Erfolges anstrebe, derart, daß jeder der Mitwirkenden - ohne zum bloßen Werkzeug des anderen herabzusinken - Inhaber der Tatherrschaft bleibe, d.h. die Verwirklichung des Gesamterfolges je nach seinem Willen hemmen oder ablaufen lassen könne. Maßgebend sei also ein objektives Moment, nämlich diese (weil auch vom Vorsatz umfaßte) “willensgetragene Tatgestaltung” (528). Eigentlich argumentierte Maurach von einer (finalen) Gesamthandlung aller Mitwirkenden (528), die zu einer - zivilrechtlich gesprochen - Gesamthaftung eines jeden führe (532). Es gehe um die “bewußte und gewollte Tatbestandsverwirklichung durch mehrere im Wege einverständlicher Arbeitsteilung” (504). Auch für das Unterlassen anerkannte Maurach eine Mittäterschaft: sowohl für den Fall, daß jeden eine Rechtspflicht zur Erfolgsabwendung treffe, als auch dann, wenn der Unterlassende eine Pflicht zur Abwendung der vom anderen durch aktives Tun geschaffenen Gefahrlage habe.

 

23 Teilnehmer dagegen sei derjenige, der vorsätzlich am vorsätzlichen Verbrechen eines anderen mitwirke, was notwendig voraussetze, daß er auf die konkrete Gestaltung der Tat Einfluß ausübe, ohne aber dadurch die Tatherrschaft zu erhalten (534 ff.). Teilnahme sei somit durch die “Nichtbeherrschung des auch vom Teilnehmer final angestrebten Kausalgeschehens” gekennzeichnet (539). Der Teilnehmer gebe mit dem Erfolg seines Tatbeitrags - die Anstiftung finde ihr Ende mit dem Geneigtmachen des noch nicht Entschlossenen, die Beihilfe mit der Bestärkung des Tatentschlossenen - das Geschehen “aus der Hand” (529).

 

3.3. Die Theorie von W. Gallas:

24 W. Gallas übernahm in seinem 1954 geschriebenen Gutachten für die Strafrechtskommission die Theorie der finalen Tatherrschaft Welzels, damit auch die ontologische Bestimmung der “Finalität” (mit ihren Problemen), schied deshalb ebenfalls von vornherein die Fahrlässigkeitsdelikte aus (deren Täterschaft nur kausal bestimmt werden könne) (Gutachten 128 ff.). Doch rückte er die normative Dimension in den Vordergrund. Sein Ansatz war das “Täterbild, wie es sich jeweils aus den einzelnen Tatbeständen des Besonderen Teils ergibt”, die nämlich weder nur kausales Bewirken eines Erfolges noch nur innere Willensinhalte, sondern “Tatbeschreibungen” enthalten, die “Handlungen” umfassen (123; Heraushebung nicht im Original); wie z.B. “einbrechen”, “wegnehmen”, “vorspiegeln”. Was damit gesagt sein solle, ergebe sich nur aus der Erkenntnis, “daß mit ihnen die Objektivierung eines zielgerichteten Wollens, die Verwirklichung eines das Wissen um die kausalen Zusammenhänge nutzenden Plans gemeint ist” (126). Erforderlich sei deshalb ein Blick “auf die Tat als Ganzes”, auf den “Tatsinn und damit den Typus des betreffenden Delikts”, der deutlich mache, daß die Tatbestände der Tätigkeitsdelikte “final-kausale Sinneinheiten (Welzel)” beschreiben würden (126). Somit legte Gallas für die vorsätzlichen Handlungsdelikte die Tatherrschaftslehre zugrunde, die von der “objektiv-subjektiven Ganzheit der tatbestandsmäßigen Handlung” und damit von bestimmten “Handlungstypen” - die den Sinn der Tatbestandsfassung darstellten - aufgrund einer “final-objektiven” Betrachtungsweise ausgehe (126, 137). Dies gelte auch für die sogenannten Erfolgsdelikte: denn auch bei ihnen müsse auf das finale Element der tatbestandsmäßigen Tat gesehen werden, wodurch aus einer bloßen Erfolgsverursachung “eine individuelle Leistung des Täters, ein `Werḱ, dem als Verkörperung des Täterwillens ein bestimmter Sinn innewohnt. Hinter dem abstrakten `töteń des gesetzlichen Tatbestands würde sich, so gesehen, eine Fülle verschiedenartigster Handlungstypen mit Tötungssinn verbergen: erstechen, erwürgen, ertränken usw., und nur, wer eine solche typische Tötungshandlung vornimmt, würde als `Täteŕ der vorsätzlichen Tötung erscheinen” (127 f.). Eine “Tötungshandlung” beging für Gallas daher nur derjenige, der bei seinem Tätigwerden “nach einem Programm verfährt, dessen Verwirklichung ihm den Todeserfolg `in die Hand gibt́. Die vom Täter eingesetzten Mittel müssen, zum mindesten von seiner Beurteilung der Sachlage aus gesehen, geeignet sein, die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs als sein Werk ... erscheinen zu lassen. Die tatbestandsmäßige Handlung und die darauf gegründete Täterschaft sind also nur mit Hilfe einer wertenden, am Adäquanzgedanken orientierten Betrachtungsweise zu bestimmen”, bei der es darum geht, “den sachlichen Sinn und das objektive Gewicht eines finalen Akts zu ermitteln” (128). Gallas nannte den dabei angewandten Maßstab “Tatherrschaft”, denjenigen - der die oben genannten geeigneten Mittel einsetzt - daher den “Herrn der Tat” (128); doch müsse bewußt bleiben, daß sich in diesem Begriff objektive und subjektive Momente miteinander verbinden und daß er das Ergebnis einer zugleich finalen und wertenden Betrachtungsweise sei (128). Systematisch “gehört der `Täteŕ in die Lehre vom Tatbestand” der vorsätzlichen Tätigkeitsdelikte (132). Täter “ist das Subjekt der Tatbestandsverwirklichung” (132). Dies gelte auch für die Verwendung eines anderen als “Werkzeug”, dessen kausale Beiträge als “Werk” des Hintermanns erscheinen würden, vorausgesetzt daß dieser den Vordermann “in der Hand” habe (133). Eine solche (notwendig “im Rahmen eines an der tatbestandsmäßigen Handlung orientierten Täterbegriffs” zu denkende) “mittelbare Täterschaft” sei nicht nur bei einem vorsatzlosen Werkzeug anzunehmen, sondern auch eines vorsätzlichen, aber in schuldausschließender/ entschuldigender äußerer oder innerer Unfreiheit tätig werdenden Werkzeugs: denn zwar liege in diesem Falle wegen der vorsätzlichen Tatbestandsverwirklichung beim Vordermann selbst (unmittelbare) Täterschaft - wenn auch straflos - vor, doch begründe das Übergewicht des Hintermannes - das sich aus einer Betrachtung des “Sinngehalts der Tat” ergebe - dessen Tatherrschaft, da wertend die Gesamttat als sein “Werk” erscheine (133 f.). Damit anerkannte Gallas - entgegen Welzel (vgl. Rn.20), aber wie Maurach (Rn.22) - einen Täter hinter dem (allerdings straflosen) Täter. Doch scheide eine solche Bewertung des überlegenen Hintermannes als mittelbaren Täters aus, wenn die finale Tätigkeit des an sich unterlegenen Vordermanns vom Recht als freies, persönliche Verantwortung begründetes (und daher strafbares) Handeln gewertet werde (134). Bei qualifikations- und absichtslosem Werkzeug liege eine “Begehungsform eigener Art” vor, die im wertend gefundenen Ergebnis aber doch als Täterschaft des Hintermannes - der die beherrschende Stellung innerhalb des Gesamtgeschehens der Tat innehabe - qualifiziert werden solle (135 f.). - Auch ein Mittäter war für Gallas ein “Mitherr der Tat” (137), also derjenige, der auf Grund gemeinsamen Tatentschlusses Handlungen vornehme, die in wertender Betrachtung als Teilhabe an der Ausübung der Tatherrschaft bzw. als Ausdruck einer kollektiven Leistung erscheinen würden (136). Da auch hier die “Verbindung von finaler Steuerung und Erfolgsadäquanz” zugrunde zu legen sei (136), müsse der Mittäter sich an der Ausführung der tatbestandsmäßigen Handlung beteiligen; eine Mitwirkung bloß bei der Planung oder im Vorbereitungsstadium reiche nicht aus (137). Doch sei Mitherrschaft auch dann gegeben, wenn der andere schuldlos handle, aber eben “handle”, d.h. vorsätzlich (final) tätig werde (und kein Fall der mittelbaren Täterschaft - weil Übergewicht des Hintermannes - vorliege) (138). Gallas anerkannte darüber hinaus auch Fälle von Nebentäterschaft. Wisse einer von dem Tun eines anderen, benutze diesen aber weder als Werkzeug noch unterstütze ihn, sondern nutze ihn für seine Zwecke aus - A schickt den ahnungslosen X in das Haus, das von B in die Luft gesprengt werden soll, wodurch X ums Leben kommt -, dann sei dieser (Neben-) Täter: zwar sei er nicht Herr über die Tat des anderen, aber wohl über das tödliche Schicksal des Opfers, dessen Leben er in der gleichen Weise (d.h. für die wertende Betrachtung) in der Hand habe, wie wenn er ihn einer bloßen Naturgewalt - etwa einem Raubtier - ausgesetzt hätte. Ebenso sei Nebentäter derjenige, auf den die Tatherrschaft übergegangen sei, nachdem der andere seine Handlung abgeschlossen und damit die Tat aus der Hand gegeben habe (139). - Die Teilnahme war für Gallas Teilnahme an fremder Tatherrschaft, setze begrifflich daher nur eine tatbestandsmäßige (und d.h.: vorsätzliche) Haupttat (im Sinne der minimalen Akzessorietät) voraus (132, 146); doch solle sie strafbar nur sein, wenn diese Haupttat auch rechtswidrig sei, da die Teilnahme ihren Unrechtsgehalt aus der Förderung fremden Unrechts beziehe (146). Schuldhaft müsse die Haupttat aber nicht sein (148).

 

25 In seinem Beitrag zum VII. Intern. Strafrechtskongreß in Athen 1957 untermauerte Gallas seine Konzeption von der Tatherrschaftslehre als “Synthese von objektiven und subjektiven Kriterien” (Beiträge 131). Deutlich(er) wurde nun, daß er in ihr die anderen Theorien - formal-objektive (die nach der äußeren Tatbestandshandlung im Wortsinne [und in einem “Appell an das Sprachgefühl”] frage), materiell-objektive (die auf die größere Gefährlichkeit eines Tatbeitrags abstelle), subjektive - aufgehoben sah, genauer: die objektiven und subjektiven Merkmale in dem ganzheitlichen (final-objektiven) Handlungsbegriff, der als “Handlung” ein menschliches Tun erfasse, “das als Verwirklichung eines zielgerichteten Wollens mit hierzu geeigneten Mitteln einen bestimmten Sinn und ein bestimmtes sachliches Gewicht hat” (137). Freilich sah Gallas die zusätzliche Notwendigkeit, den Tatbestand der Erfolgsdelikte bezüglich der Tathandlung “auflockernd” zu interpretieren (140), nämlich die sprachliche Formulierung z.B. des § 212 (“[vorsätzlich] töten”) - im Gegensatz zu der des § 222 (“durch Fahrlässigkeit den Tod verursachen”) - als Umschreibung einer solchen finalen Tötungshandlung aufzufassen (138). Daher sei auch für die Erfolgsdelikte diese Tatherrschaftslehre heranzuziehen, die die “Selbstbegehung” erfasse: danach “bedeutet Täterschaft die Beziehung des Handelnden zu einem Geschehensablauf und dessen Erfolg, die den Gesamtvorgang als `seiné Tat, den Erfolg als sein `Werḱ erscheinen läßt. Eine solche Beziehung aber ist gegeben, wenn der Handelnde durch planmäßig gesteuerten Einsatz der geeigneten (erfolgsadäquaten) Mittel die Tat `in der Hand hat́, ihren Ablauf bis zum Erfolg hin `beherrscht́, mag er dabei selbst unmittelbar zugreifen oder sich eines anderen als bloßen Werkzeugs bedienen. Damit wird die `Tatherrschaft́ zu dem gesuchten sachlichen Kriterium der Täterschaft, zu dem Maßstab, an Hand dessen zu beurteilen ist, ob das konkrete Verhalten seiner Begehungsweise nach Täterhandlung ist” (139). Doch betonte Gallas erneut, daß das “Wertmoment im Begriff der Tatherrschaft” - die deshalb eine “`Tatherrschaft́ im Rechtssinne” sei (141) - nicht übersehen werden dürfe: denn “als Mittel der Interpretation der tatbestandsmäßigen Handlung ist der Begriff der Tatherrschaft ... auf den spezifischen Unwertgehalt des jeweiligen Deliktstypus bezogen”, weshalb z.B. ein Nichtbeamter trotz seines tatsächlichen Einflusses auf das Geschehen nicht “Tatherr” sein könne, da ihm der eigentliche Unrechtsgehalt der Tat gar nicht zugänglich sei (139). Es sei somit erforderlich, den Begriff der Tatherrschaft nicht als materielles Kriterium der Täterschaft schlechthin, sondern “der Täterschaft im Sinne des jeweiligen Tatbestands” zu verstehen (151). Ebenfalls aus normativen Gründen - nämlich um der Konsequenz einer sonst in sich widersprüchlichen Rechtsordnung zu entgehen - sei eine mittelbare Täterschaft trotz tatsächlicher Überlegenheit des Hintermannes nicht möglich, wenn der - tatsächlich unterlegene - Vordermann als vorsätzlich Handelnder auch schuldhaft und damit verantwortlich - weil aus freiem Tatentschluß - handle (141). Interessant war, daß Gallas die Tatherrschaftslehre auch für die Alleintäterschaft fruchtbar machte: nämlich für das Problem der Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Geschehensablauf. “Erheblich, d.h. dem Handelnden nicht mehr zurechenbar, ist die Abweichung dann, wenn der Erfolg entgegen der Vorstellung des Handelnden auf eine Weise eingetreten ist, die er mit den von ihm final eingesetzten Mitteln erfahrungsgemäß nicht mehr beherrschte. So hätte, wer das Opfer durch einen in Tötungsabsicht geführten Messerstich leicht verletzt, damit zwar auch den Todeserfolg `noch in der Hand́, der durch eine Infektion der Stichwunde eintritt. Nicht mehr im Rahmen seiner Tatherrschaft läge dagegen der Tod durch einen Verkehrsunfall, den der Verletzte auf dem Wege zum Arzt erleidet. Der Todeserfolg wäre hier nicht mehr das `Werḱ des Täters, sondern das Ergebnis eines Zufalls. ... Auch die Fälle, in denen der Handelnde gerade den zufälligen Verlauf in Rechnung stellt, finden unter dem Gesichtspunkt mangelnder Tatherrschaft ihre Lösung”, wie im Fall des Neffen, der den Erbonkel zu einer - erhofft todbringenden - Reise im Flugzeug veranlaßt: denn dieser Rat “ist bei dem heutigen Stand der Verkehrssicherheit kein Tötungsmittel”, weshalb der Neffe den vielleicht tatsächlich eintretenden tödlichen Ausgang nicht beherrsche (142). Denn mit dem Begriff der Tatherrschaft werde auch ein “Moment der `Adäquanź, verbunden freilich mit dem der Finalität, bestimmend für den sachlichen Gehalt des tatbestandsmäßigen Verhaltens” (142 Fn.15).

 

26 Anzumerken ist, daß Gallas in einer Arbeit aus 1960 die Täterschaft bei (unechten) Unterlassungsdelikten nicht von der Tatherrschaftslehre begreifbar ansah, da das Wesen dieses Unterlassens gerade in der Passivität gegenüber dem Eintritt des strafbaren Erfolgs, nämlich in der pflichtwidrigen Nichtausübung einer an sich möglichen (potentiellen) Herrschaft über das zu diesem Erfolg führende Geschehen, liege (169). Damit scheide - wie Gallas im Anschluß an Grünwald und Armin Kaufmann festhielt - der Maßstab der Tatherrschaft für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungsdelikten aus, da die potentielle Tatherrschaft schon die Voraussetzung dafür sei, daß überhaupt eine Erfolgsabwendungspflicht bestehe; doch gebe es “andere Kriterien, an denen gemessen die Nichtabwendung des tatbestandsmäßigen Erfolgs das eine Mal als ein der aktiven Täterschaft, das andere Mal als ein nur der aktiven Beihilfe tatbestandsmäßig `gleichwertigeś Unterlassen erscheint” (Beiträge 184 Fn.56; Heraushebung nicht im Original). Ein solcher “Teilnahmeunwert” (genauer: nur möglicher Beihilfeunwert [186 Fn.64]) sei z.B. anzunehmen, wenn dem Unterlassenden die im Tatbestand vorausgesetzte Täterqualität fehle (186); oder wenn der Garant “neben dem die Tatherrschaft ausübenden Täter eines vorsätzlichen Begehungsdelikts” unterlasse, da dieser durch seine Tatherrschaft dem untätig Bleibenden den unmittelbaren “Zugang” zum strafbaren Erfolg “verstellt” (187). Allerdings sah Gallas die Möglichkeit, daß besondere Umstände die Rolle des Garanten ausnahmsweise zur Täterschaft “aufwerten” könnten (188 Fn.69). - In dieser Arbeit aus 1960 - die das Problem des strafbaren Unterlassens im Fall der Selbsttötung behandelte - verwendete Gallas im übrigen einen weite(re)n Tatherrschaftsbegriff, da er auch das Handeln des Suizidenten trotz eines fehlenden Tatbestandes als “Tatherrschaft” auffaßte, nämlich im Sinne eines “natürlichen” Begriffes von Tat und Tatherrschaft (189 Fn.72).

 

3.3. Das System von C. Roxin:

27 C. Roxin führte in seiner im Frühjahr 1962 abgeschlossenen, 1963 veröffentlichten Habilitationsschrift “Täterschaft und Tatherrschaft” die Tatherrschaftslehre zu ihrem Begriff; und zugleich an ihre Grenze (vgl. Täterschaft 396), weshalb er eigentlich auch deren Überwinder ist. Dieses Werk, das sich der Konzeption von Gallas “sehr verpflichtet” sah (so Täterschaft² 615 Fn.54), erhob die Beteiligtenlehre auf ein neues Niveau von Differenziertheit und Klarheit, weshalb seine Ergebnisse auch die Diskussion nach 1975 prägen sollten. Im folgenden ist nur die 1. Auflage heranzuziehen und das System darzustellen, das Roxin mit allgemeinem (also über das damals geltende StGB hinausgehendem) Anspruch auf Sachgerechtigkeit entfaltete; die kritische Beurteilung wird im Zusammenhang mit dem Anspruch auf (auch) Interpretation der §§ 25 ff. StGB 1975 vorgelegt (vgl. Rn.xxx). Schärfer als Gallas erhob Roxin den Anspruch, in seiner Konzeption alle übrigen, bisher vertretenen Auffassungen aufzuheben und damit deren jeweilige Einseitigkeit - weil Verabsolutierung eines richtigen Aspektes - aufzudecken (582); was zugleich bedeutete: die einzig sachangemessene (“richtige”) Täterlehre entwickelt zu haben. Gelingen sollte dies durch eine neue Methode der Inhaltsbestimmung des Begriffs der Täterschaft: nicht durch eine fixierte Definition aller wesentlichen Merkmale in einem “Oberbegriff”, aus dem dann die einzelnen Formen der Täterschaft deduziert werden könnten, sondern durch die Formulierung eines (bloßen) “Leitprinzip[s] für die Bestimmung des Täterbegriffs”, verstanden als einen “methodischen Ansatzpunkt, der die ... mehrschichtige Synthese aus ontologischer und teleologischer Betrachtungsweise in eine konkretisierbare Formel bannen soll”, so zu einem Täterbegriff führen solle, der “einerseits den ... maßgebenden gesetzlichen Wertungsgesichtspunkt, andererseits aber auch einen deutlich erfaßbaren vorrechtlichen Differenzierungsmaßstab bezeichnen [soll]” (25). Dieses Leitprinzip sei anfangs (verhältnismäßig) unbestimmt, aber dann bestimmbar durch ein “Verfahren” der inhaltlichen Ausfüllung im Durchgang durch den “Rechtsstoff” (337, 529), worunter Roxin ein Ganzes aus gesetzlichen (und insofern: wertenden) Tatbeständen und vorgegebenen sozial-sinnhaften Seinsgegebenheiten verstand (19-25) (das er mit einem offensichtlich von Hegel übernommenen Begriff als “objektiven Geist” bezeichnete [25]). Denn es “durchdringen vorgegebene Bedeutungsgehalte und sinnstiftende Wertsetzungen einander derart, daß eine ständige Wechselwirkung zwischen ihnen stattfindet und das Ergebnis sich nicht als ein erstarrtes Gefüge, sondern als die Resultante eines immer weiterlaufenden Prozesses gegenseitiger Beeinflussung darstellt” (25); was sich bereits darin zeige, daß der Strafgesetzgeber zur Tatbestandsformulierung auf die Alltags- und Umgangssprache zurückgreife. Insgesamt lag der Untersuchung also ein “offener” Begriff der Täterschaft zugrunde, der sich in diesem Durchgang durch den Rechtsstoff in zunehmend differenzierten “typisch wiederkehrenden Grundformen” (“Modellformen”, 448) entfalten solle (123) - von Roxin als “Beschreibung” von typischen Fallgruppen aufgefaßt und qualifiziert (123 f.) -, die zugleich “Regulative” als “richtungsweisende Prinzipien” für die weitere Konkretisierung darstellen würden (125). Somit erweise sich der Täterbegriff als “konkreter” Begriff (529), in dem auch gegensätzliche Kriterien in einem Aufeinanderbezogensein aufgehoben seien - weshalb Roxin auch von einem “dialektischen” Begriff sprach (529 f.) -, sich jedenfalls als eine in Vielfalt sich differenzierende Einheit von Begriffsbestimmungen darstelle (529). Entscheidende Stellung (und Bedeutung) mußte daher diesem “methodischen Prinzip” bzw. “Leitprinzip” zu kommen, da dieses die Formel darstellen sollte, in die die mehrschichtige Synthese von ontologischen und teleologischen Merkmalen - d.h. der Rechtsstoff - in einer konkretisierbaren Weise zu bannen war: indem es sowohl den maßgebenden Wertungsgesichtspunkt der gesetzlichen Tatbestände als auch den vorrechtlichen (sozialen, im Gemeinbewußtsein lebendigen, hier plastisch als “Täterbild” oder “Leitbild” vorgestellten) Differenzierungsmaßstab bezeichnete (25). Roxin formulierte dieses maßgebende Prinzip als: “Der Täter ist die Zentralgestalt des handlungsmäßigen Geschehens” (25), dessen “Schlüsselfigur” (141, 205, 336); manchmal sprach Roxin auch von der Zentralgestalt des “tatbestandlichen Geschehens” (so z.B. 139, 171). So sehe der soziale Alltag die Differenzierung: der Täter sei die “Hauptfigur des Geschehens”, Anstifter und Gehilfe “stehen am Rande” (26); und diese Vorstellung sei auch die Wertung des Gesetzgebers, das “gesetzliche Tatbild” (138), da er in § 47 StGB den Täter durch den Begriff des “Ausführens” umschreibe und diesen damit als Mittelpunkt und Schlüsselfigur des “Deliktsvorgangs” denke (26). Es könne nicht bestritten werden, “daß der Gesetzgeber in seinen paragraphenmäßigen Tatbeschreibungen stets auch den Täter schildert” (127). Die gesetzlichen Tatbestände seien “gesetzliche Täterbeschreibungen” (127), die nach dem “Leitbild, das dem Gesetzgeber als die Zentralgestalt des tatbestandlichen Geschehens vorschwebt” (171) und als “Deliktskern” (139), inhaltlich zu bestimmen seien. Zu fragen sei daher nur nach dem “Sinngehalt der Tatbestände” (327). Roxin forderte daher - wie schon Gallas - einen “tatbestandsbezogenen Täterbegriff” (vgl. 411 ff., 447 f.), für den die “Bedeutung des Tatbestandes für die Ermittlung der Täterschaft” bestimmend sei (353). Maßgebend müsse die “Tatbestandsfassung” sein (362, 380).

 

28 Zunächst wurde Roxin mit diesen Gang durch den Rechtsstoff zum Vollender der Tatherrschaftslehre, indem er drei (einzig mögliche, denkbare) Formen von Tatherrschaft herausarbeitete: Handlungsherrschaft (127 ff., auch 472), Willensherrschaft (142 ff.; auch 520), Mitherrschaft (275 ff.); wobei die Willensherrschaft weiter wiederum in drei Formen ausdifferenziert wurde: kraft Nötigung (142 ff.), kraft Irrtums (170 ff.), kraft organisatorischer Machtapparate (242 ff.). Weitere Fälle - wie Ausnutzen einer vorgefundenen Notlage, Einsatz eines tatbestandslos tätigwerdenden, schuldunfähigen oder qualifikationslos-dolosen Werkzeugs - wurden diesen drei Grundformen der Willensherrschaft zugeordnet; die Möglichkeit eines absichtslos-dolosen Werkzeuges wurde abgelehnt. Die Irrtumsherrschaft wurde in mehrere Unterformen aufgegliedert, bis hin zur Benutzung eines anderen, der selbst als strafbarer Handlungsherr die Straftat beging, aber trotzdem für den Willen des Hintermanns Werkzeug war, da ihm der konkrete Handlungssinn des Geschehens nicht einsichtig war (213 ff.). Dabei legte Roxin jeweils eine andere Struktur zugrunde: für die Nötigungsherrschaft das Verantwortungsprinzip (abgeleitet aus § 52 des damals geltenden StGBs, der die “Nötigung durch Zwangslage” - nämlich: durch unwiderstehlichen Zwang oder Drohung mit einer Gefahr für Leib oder Leben seiner selbst oder eines Angehörigen - für den Genötigten dahingehend regelte, daß dieser keine strafbare Handlung begehe), für die Irrtumsherrschaft die überlegene Stellung des das Gesamtgeschehen besser Überblickenden und daher zur finalen Lenkung des Unwissende(re)n Fähigen, für die Organisationsherrschaft die Fungibilität des Ausführenden innerhalb eines rechtsgelösten Apparates, den der Täter durch seine Anordnung in Gang setzt. Insgesamt war nicht nur für die Mittäterschaft eine Mehrheit von Tätern anzunehmen, sondern eigentlich auch für die Willensherrschaft (zum Problem bei einem unvorsätzlich tätigwerdenden Werkzeug vgl. 173): denn der Willenherr war auch deshalb terminologisch so bestimmt, weil er nicht die Handlungsherrschaft hatte, sondern sich eines Handlungsherrn (und damit eines Täters) bediente. Auch der Mittäter war weder Handlungs- noch Willensherr, sondern Täter aufgrund seiner eigenen Herrschaft an der (Gesamt-) Tat durch das notwendige “funktionale” Mitwirken im Ausführungsstadium. Dieses imponierende, in sich höchst differenzierte System stellte aber die Bestimmung der Tatherrschaft zugleich durch ihre Begrenzung dar, weshalb Roxin auch der Begrenzer der Tatherrschaftslehre war. Denn er beschränkte den Anwendungsbereich des Tatherrschaftsgedankens auf die vorsätzlichen Handlungsdelikte (so die eigene Bezeichnung in: Kriminalpolitik 21) - deren Tatbestände “durchweg rechtsgüterverletzende Handlungsabläufe (schildern)” (336) -, die er (wegen des Ergebnisses) meist “Herrschaftsdelikte” nannte; im Unterschied zu den “Pflichtdelikten” (352 ff.) - worunter Roxin wiederum eine Dreiheit von Straftatgruppen verstand (Sonderdelikte [352 ff.], Vorsätzliche Unterlassungsdelikte [458 ff.], Fahrlässigkeitsdelikte [527 ff.]) - und den eigenhändigen Delikten (399 ff.]. Diese Nichtanwendbarkeit war in bezug auf die eigenhändigen Delikten herrschende Auffassung, in bezug auf die Fahrlässigkeitsdelikte nichts Neues, stand bereits bei Welzel, Maurach und Gallas (und anderen); die Unmöglichkeit, ein Unterlassen vom Tatherrschaftsgedanken her zu erfassen, war durch Grünwald und Armin Kaufmann herausgearbeitet worden. Doch ist interessant, daß Roxin zu diesem Ergebnis (vor allem bei den Fahrlässigkeitsdelikten) auf andere Weise kam. Denn eigentlich betrachtete er auch das bewußt fahrlässige Verhalten als Form finaler Tatherrschaft (und damit Handlungsherrschaft [als Täterschaft]) (180 ff., 551 f.), da er nicht den finalen Handlungsbegriff Welzels und Maurachs übernahm, sondern nur die finale Tatherrschaftslehre, der er einen auch die bewußte Fahrlässigkeit einbeziehenden Inhalt gab: “jeder Erfolg [liegt] im Bereiche des Finalnexus und [wird] damit von der Tatherrschaft umfaßt, den der Täter sich als mögliche Folge seines gesteuerten Handelns konkret vorgestellt hat” (189). Somit wäre der Tatherrschaftsgedanke für bewußt fahrlässiges Handeln durchaus anwendbar gewesen, weshalb seine Einschränkung anders begründet werden mußte. Diese weiteren Ausführungen machen deutlich, daß Roxin im Grunde - und ohne dies wirklich anzustreben (wie sich auch im Titel der Arbeit deutlich zeigt) - der Überwinder der Tatherrschaftslehre war. Denn der Maßstab der Tatherrschaft wurde nicht mehr - wie noch offensichtlich bei Gallas - als maßgebendes Täterprinzip zugrunde gelegt, sondern zu einer einzelnen Form eines übergeordneten Leitprinzips herabgestuft: nicht als eines “Oberbegriffs” im Sinne einer deduktiven Logik, aber doch als eines allgemeiner(en) Begriffs, der in mehreren Formen zu konkretisieren sei (und sich dadurch als “konkreter Begriff” erwies). Maßgebend war damit nicht mehr die Gleichsetzung von Täterschaft und Tatherrschaft - so der darin durchaus mißverständliche Titel -, sondern die Bestimmung des Täters als der Zentralgestalt nach dem Leitbild des Strafgesetzgebers, der sich dabei der Alltags- und Umgangssprache bedient (und damit auch die Strukturen der sozialen Lebenswelt einbezieht). Dadurch wurde der Tatherr zu einer Täterform neben zwei anderen, die als jeweilige (weitere) Konkretisierungsformen des “offenen/ dialektischen” Leitbegriffs in gleichwertiger Weise der Täterbestimmung aufzufassen waren; insgesamt daher eine dreifache Konkretisierung. Zentralgestalt war für Roxin entweder (bzw. sowohl) der Tatherr oder (bzw. als auch) der außerstrafrechtlich Verpflichtete oder (bzw. als auch) der eigenhändig verwerflich Handelnde, nämlich konkretisiert für eine jeweils andere Straftatgruppe (und deren spezifischen Tatbestand). Aus dieser Tatbestandsbezogenheit der Täterbestimmung folgte die jeweilige Zuordnung: Zentralgestalt “Tatherr” zu den (vorsätzlichen) Herrschaftsdelikten (deren Tatbestand auf ein vorsätzliches Handeln abstellt), Zentralgestalt “außerstrafrechtlich Verpflichteter” zu den Pflichtdelikten (deren Tatbestand die Verletzung einer entsprechenden Pflicht voraussetzt), Zentralgestalt “eigenhändig Handelnder” zu den deshalb so genannten Delikten (deren Tatbestand ein nur durch unmittelbare Selbstvornahme zu verwirklichendes verwerfliches Aktunrecht verlangt). Dann ging die Konkretisierungsarbeit tiefer. Die Zentralgestalt des außerstrafrechtlich Verpflichteten wurde weiter in drei Täterformen differenziert und Straftatgruppen zugeordnet: der Sonderpflichtige (Intraneus) zu den Sonderdelikten, der Garant zu den (vorsätzlichen) Unterlassungsdelikten, der Sorgfaltspflichtige zu den Fahrlässigkeitsdelikten. Der Unterschied dieser drei Hauptformen - Tatherr, Verpflichteter, eigenhändig verwerflich Handelnder - wurde einerseits betont, andererseits durch den Konkretisierungsbezug zum einheitlichen Leitprinzip (und offenen Begriff der “Zentralgestalt”) wertungsmäßig aufgehoben. Mögliche quantitative Wertungsunterschiede ergaben sich aus den unterschiedlichen Straftatgruppen (und deren Tatbestand), nicht aus der Konkretisierungsform: diesbezüglich waren alle drei Formen (und Unterformen) qualitativ gleich, weil jeweils die tatbestandsbezogene Zentralgestalt. Qualitativ (d.h. als rechtlich-normative Täterbestimmung) war der Tatherr für die Herrschaftsdelikte (vorsätzlichen Handlungsdelikte) das, was der außerstrafrechtlich Verpflichtete für die Pflichtdelikte und der eigenhändig verwerflich Handelnde für die ihm entsprechenden Delikte war; und damit war klargestellt, daß der Tatherr eben nicht als “der” Täter überhaupt (d.h. der Täterbegriff) war. Täterschaft war somit nicht Tatherrschaft.

 

29 Roxin legte eine weitere Differenzierung (über die [Tat-] Herrschaftsdelikte hinaus) zugrunde, indem er auch für die Pflichtdelikte - im Gegensatz zu den nur eigenhändig begehbaren Delikten der dritten Täterform - die Unterscheidung von unmittelbarer, mittelbarer und Mit-Täterschaft heranzog. Einerseits wurden Handlungs-, Willens- und Mitherr mit diesen drei Begehungsformen gleichgestellt. Andererseits wurde der Alleintäter bei Pflichtdelikten (offensichtlich) als unmittelbarer Täter aufgefaßt; der Intraneus/ Sorgfaltspflichtige wurde als mittelbarer Täter angesehen, wenn der Erfolg durch einen Extraneus/ Nichtsorgfaltspflichtigen herbeigeführt wurde (253 ff., 538 ff.) (welches Ergebnis für den Garanten nicht gelten könne, da durch bloßes Unterlassen kein “Anstoß” oder “Lenkung” der Tätigkeit eines Werkzeugs gegeben werden könne [471 ff.]); Mittäterschaft war bei allen Pflichtdelikten möglich, wenn eine gemeinsam bestehende Pflicht gemeinsam verletzt werde (355 ff. [Sonderdelikte]; 469 ff. [vorsätzliche Unterlassungsdelikte]; 531 ff.[Fahrlässigkeitsdelikte]), nicht daher zwischen einem Tatherrn und einem Verpflichteten (vgl. 470). Freilich räumte Roxin ein, daß der Extraneus bzw. Nichtsorgfaltspflichtige “nicht im eigentlichen Sinne ein Werkzeug” in den Händen eines Hintermannes sei, weil dieser sprachliche Ausdruck von vornherein nur für die Herrschaftsdelikte passe (538). Die Bezeichnung als “mittelbare” Täterschaft kann deshalb auch nur in einem uneigentlichen Sinne verstanden werden, der freilich schwierig zu erfassen ist. Denn zwar ist der Verpflichtete bei diesen Delikten die Zentralgestalt und daher notwendig der Täter; aber warum er “mittelbarer” Täter sein soll, ist nicht so selbstverständlich, wird aber von Roxin im Zusammenhang mit den Sonderdelikten ausdrücklich hervorgehoben (360); mit der Begründung: hier “genügt ..., daß [der Verpflichtete] den äußeren Handlungsvollzug einer [anderen, WS] Person überläßt” (360), ohne - wie hinzuzufügen ist - diesen als Willensherr zu lenken. “Mittelbar” ist die Täterschaft bei Pflichtdelikten offensichtlich deshalb, weil die vom Tatbestand auch geforderte Erfolgsherbeiführung (vgl. 357, 361, 379) von einem anderen vorgenommen wird. Doch läßt Roxin bei den Pflichtdelikten ausdrücklich “jedes wie immer beschaffene `Bewirkeń” als tatbestandsmäßig gefordertes Verhalten zu (379), was zur Konsequenz haben müßte, daß der Verpflichtete durch sein Veranlassen oder Unterstützen des fremden Verhaltens ohnehin bereits den Tatbestand erfüllt und daher als “unmittelbarer” Täter aufzufassen wäre. Die Konsequenz der Ablehnung einer solchen mittelbaren Täterschaft des Garanten wäre mangels eines kausalen Beitrages des Unterlassenden richtig. Doch entsteht das Problem, wenn weiterhin von einer “mittelbaren” Täterschaft gesprochen wird (obwohl eine “unmittelbare” Täterschaft vorliegt). Denn dann kann das “mittelbar” nur auf die fremde Erfolgsherbeiführung abstellen, eine Fallkonstellation, die auch für den Garanten passen würde, der doch ebenso den Handlungsvollzug einem anderen “überlassen” kann. Neben der Willensherrschaft (als mittelbare Täterschaft bei Herrschaftsdelikten) müßte dann eine “mittelbare Täterschaft kraft Pflichtenstellung” anerkannt werden, die für alle Pflichtdelikte gelten müßte, wenn diese neben der Pflichtenstellung - die den Täter (als Zentralgestalt) begründet - auch ein Verhaltensstück tatbestandsmäßig fordern. Von ihr könnte man nur in uneigentlicher Sprache reden. Auf die damit verbundenen Schwierigkeiten ist in Rn. xxx einzugehen.

 

30 Anzumerken ist, daß gerade die zuletzt angesprochene Problematik den Charakter der Täterlehre Roxins verdeutlicht, der aber bereits in dem Leitprinzip “Zentralgestalt” enthalten ist: es ging nicht eigentlich um eine Lehre von der Täterschaft, sondern von dem “Täter”. Seine Theorie sei “an der Person des Täters orientiert” (379, Heraushebung nicht im Original), weshalb Tatherrschaft, Verpflichtung, Eigenhändigkeit nur Umschreibungen des “Tatherrn”, “Verpflichteten”, “eigenhändig verwerflich Handelnden” sind (wobei die letzte Formulierung zeigt, daß hier offensichtlich die Trennung von personalen und handlungsmäßigen Momenten nicht gelingt). Bei Herrschafts- und Pflichtdelikten trennte Roxin eindeutig zwischen dem personalen Tätermoment und dem (sonstigen) tatbestandlichen Geschehen. Denn systematisch ordnete Roxin die objektiv täterschaftsbegründenden Umstände und die Kenntnis dieser Umstände dem tatbestandlichen Unrecht zu, das er aber in “die Tat” (objektiv und subjektiver Indiztatbestand und Gegentatbestände [Rechtfertigungsgründe]) und in “die Beteiligungsformen” unterteilte (329). D.h.: “zuerst (sind) die objektiven Unrechtsvoraussetzungen zu prüfen; dann folgt der Vorsatz, und daran schließt sich die Untersuchung, ob Täterschaft, Anstiftung oder Beihilfe gegeben sind ... Die äußere Erfüllung der Tatbestandsmerkmale und die finale Verwirklichung dieses Erfolges bilden ... in ihrer Einheit ... die `objektivé Grundlage, auf der die Frage nach der Tatherrschaft gestellt werden kann”, die als “dialektische Einheit” von äußeren und inneren Voraussetzungen aufzufassen sei (330). zunächst also würden die “sonstigen objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Unrechtstatbestandes” geprüft und erst nach ihrer Bejahung sei das personale Merkmal des Unrechtstatbestandes zu prüfen (329). Als Ergebnis (d.h. mit der Bejahung der Täterschaft) sei das “tatbestandliche Unrecht” anzunehmen, da die Täterschaft “die den Deliktsbeschreibungen entsprechende Form tatbestandlichen Unrechts” sei (329). Trotzdem zeigt die Trennung von “Tat” und “Beteiligungsformen” innerhalb dieses tatbestandlichen Unrechts ein Problem auf. Auf die damit verbundenen Fragen wird in Rn.xx eingegangen.

 

31 Den Irrtum über Tätervoraussetzungen löste Roxin ausdrücklich für die “Herrschaftsdelikte”: hier seien die Kenntnis und die bewußte Ausnutzung aller objektiv herrschaftsbegründenden Faktoren - wozu auch die “Werkzeugqualität des Mittelmannes” gehöre - maßgebend (263). Wenn daher jemandem diese Werkzeugqualität verborgen bleibe, könne er nicht als Willensherr und damit nicht als Täter aufgefaßt werden (264). Handle der andere zumindest als Handlungsherr, d.h. liege eine finale (d.h. vorsätzliche oder bewußt fahrlässige) Tat vor, dann sei derjenige, der diese Tat veranlasse oder unterstütze, als (vollendeter) Teilnehmer anzusehen (266 f.). Dieses Ergebnis sei aus dem “Wesen der Teilnahme” (268) auch dann anzunehmen, wenn der andere nicht einmal Handlungsherr sei. Denn Teilnahme sei als Spiegelbild zu bestimmen, bei Herrschaftsdelikten daher als “Mitwirkung ohne Tatherrschaft”, die auch in diesem Fall gegeben sei. Deshalb sei der Irrende (vollendeter) Teilnehmer, obwohl es auch einer finalen Haupttat fehle (268). Im umgekehrten Fall - also bei irrtümlicher Annahme der Werkzeugqualität des anderen - sei Täterschaft eindeutig abzulehnen, weil es an der objektiven Tatherrschaft fehle (271, 273). Anzunehmen sei daher eine “Mitwirkung ohne Tatherrschaft” und somit Teilnahme; dies gelte selbst dann, wenn der Betreffende irrig an ein nicht vorsätzlich oder bewußt fahrlässig tätigwerdendes Werkzeug glaube. Die bloße Vorstellung, die Zentralfigur darzustellen, sei rechtlich ohne Bedeutung, ebenso wenig wie irgendein “Täter-“ oder “Teilnehmerwille”; maßgebend sei das “objektive Urteil”, wonach derjenige, der bewußt auf die Verwirklichung eines Erfolges hinarbeite, in die Randzone des Geschehens verwiesen werde, wenn ein anderer frei und alles übersehend die Tat allein ausführe (272). Nicht möglich sei die zusätzliche Annahme auch einer versuchten (mittelbaren) Täterschaft (273). - Bei den “Pflichtdelikten” ging Roxin offensichtlich nicht auf diese Frage ein, wohl deshalb, weil sie sich gar nicht stellte. Denn konsequent zum Spiegelbildcharakter der Teilnahme wurde sie hier als “Beteiligung ohne Sonderpflichtverletzung” bestimmt, weshalb von vornherein das Erfordernis einer finalen Haupttat wegfalle (367): vorausgesetzt sei - als Haupttat - nur die objektive (erfolgsbewirkende) Pflichtverletzung des Täters. Nimmt jemand irrig diese Pflichtenstellung an, kann er mangels Tätervoraussetzung niemals Täter einer vollendeten Tat sein. Verletzt er diese Pflicht, ohne sie zu kennen, dann ist er wohl Täter dieses Pflichtdelikts, wenn er die zusätzlichen Tatbestandsvoraussetzungen (vor allem die Erfolgsherbeiführung) objektiv erfüllt.

 

32 Folge des restriktiven Täterbegriffs war - wie bereits in Rn.31 angesprochen - die sekundäre Bedeutung der Teilnahme, die in den wesentlichen Strukturen dem (primären) Täterbegriff folgen müsse (268, 476 f., 512, 528). Der Teilnahmebegriff sei das “negative Spiegelbild” des Täterbegriffs (268). Die Unterscheidung der Täterbestimmung durch die Kriterien der Tatherrschaft einerseits, der Verpflichtung andererseits müsse ebenfalls “zwingend” (370) zu einer Unterscheidung auch der Teilnahme führen, was Roxin in differenzierter Weise ausführte (wobei die damalige [1962] Rechtslage zu berücksichtigen ist, die als Haupttat nur eine “mit Strafe bedrohte Handlung” verlangte). Allgemein war damit klargestellt: Teilnahme könne nur sein ein zur Tat beitragendes Verhalten, das nicht die Voraussetzungen des jeweiligen Täterbegriffs erfülle (268). Dies schließe aber nicht aus, daß ein Täter zugleich auch Teilnehmer sein könne - z.B. der mittelbare Täter beim manipulierten error in persona zugleich Anstifter zu der Totschlagstat des Irrenden (265) oder der Garant, der eine Straftat eines anderen pflichtwidrig nicht verhindert und deren Begehung dadurch fördert (483) -, wobei dann die Teilnahme zurückzutreten habe (265, 484). Hinzuweisen ist auf die damals (1962) gesetzliche Regelung der Teilnahme, wonach vorsätzliches Bestimmen bzw. wissentliches Hilfeleisten erforderlich war. - Für die Teilnahme an dem durch die Tatherrschaft bestimmten “Herrschaftsdelikt” bedeutete dies: Teilnahme sei “Mitwirkung ohne Tatherrschaft” (268), die aber - zumindest in der Vorstellung (vgl. Rn.31) - eine finale Haupttat (eines Tatherrn [als Handlungs-, Willens- oder Mitherrn]) voraussetze, die aber auch in einem bewußt fahrlässigen Verhalten anzunehmen sei [366 Fn.31; 560]: daher sei eine (vorsätzliche) Teilnahme an einer bewußt fahrlässigen Tat möglich (sofern der Hintermann nicht eine bessere Risikokenntnis als der Handlungsherr habe und deshalb Willensherr (und damit Täter) sei (560). Würden beide das Risiko gleich einschätzen (und sich nur in ihrer emotionalen Einstellung zum Erfolg bezüglich Fahrlässigkeit und Vorsatz unterscheiden), dann sei Teilnahme des ohne Handlungsherrschaft Tätigwerdenden möglich und auch - obwohl das Fahrlässigkeitsdelikt selbst als Pflichtdelikt zu denken sei - anzunehmen. Der vorsätzliche Teilnehmer müsse dann aus dem Tatbestand des fahrlässigen Delikts bestraft werden (560). Doch habe dies keine praktische Bedeutung, weil gleichzeitig eine Teilnahme am Vorsatzdelikt gegeben sei (561) (wobei ich die Begründung nicht verstehe). Abgesehen davon stellte die Teilnahme durch vorsätzliches Tun vor keine Schwierigkeiten (weshalb Roxin sie nicht gesondert heraushob). Auch Teilnahme durch vorsätzliches Unterlassen sei nach dem Gesagten grundsätzlich von dem Blickwinkel der Tatherrschaft des Täters möglich und auch anzunehmen (483); zugleich begründe aber die Unterlassung wegen der Voraussetzung der Garantenpflicht(verletzung) die Täterschaft des Garanten, hinter die die Teilnahme zurücktrete (484) (was Roxin allerdings nur anerkennen wollte, wenn die Unterlassung wie die Beihilfe milder bestraft werde [502 f.]). Doch anerkannte Roxin zwei Ausnahmen: erstens, wenn der einschlägige Tatbestand zusätzlich weitere personale Merkmale verlange, die der Unterlassende nicht erfülle, weshalb er nicht Täter sein könne (477 ff.); und zweitens, wenn der soziale Sinn des Unterlassens eindeutig als Erleichterung und positive Förderung einer Tat erschienen, so daß von der Voraussetzung der Garantenpflicht(verletzung) abgesehen werden könne (485 ff.), welches Ergebnis Roxin aber selbst als noch (hinter-) fragwürdig ansah (488) (zu recht, da dann eine Teilnahme durch aktives Tun angenommen werden müßte). Gleiches gelte für die Teilnahme durch fahrlässiges Verhalten: auch sie sei vom Blickwinkel des vorsätzlichen Handlungsdelikts möglich und - sofern ein diesbezüglicher Tatbestand vorgesehen sei - auch anzunehmen (570); zugleich aber sei der Betreffende wegen der Verletzung der objektiven Sorgfaltspflicht Täter, wobei die Teilnahme zurücktrete (570); außer der Tatbestand des Haupttatdelikts würde spezifisch personale Elemente voraussetzen (wie z.B. § 242), die durch ein fahrlässiges Vorschubleisten nicht erfüllt werden könnten: dann könne nur fahrlässige Teilnahme angenommen werden (die auch vom Gesetzgeber vertatbestandlicht werden könnte, wenn er es denn so wolle) (571 f.). - Anders dagegen mußte nach Roxin konsequent die Teilnahme an einem Pflicht(verletzungs)delikt konzipiert werden. Denn auch hier gelte das “negative Spiegelbild”: Teilnahme sei Mitwirkung ohne Pflichtverletzung, also: Mitwirkung eines Extraneus. Daraus folgerte Roxin, daß mangels final-vorsätzlicher Tatherrschaft (als Kriterium der Täterschaft) nur die “objektiv tatbestandstypische Handlung” vorausgesetzte Haupttat sei und sein müsse (372): der Teilnehmer beteilige sich bloß an dieser (auch nicht vorsätzlichen) Pflichtverletzung des Täters (als Intraneus) (367) (worunter auch der Garant bzw. der Sorgfaltspflichtige anzusehen sei). Möglich sei zunächst eine Teilnahme durch vorsätzliches Tun, das dem Betreffenden die Tatherrschaft bringe: z.B. desjenigen, der den Unfallbeteiligten durch Täuschung dazu bringe, unvorsätzlich den Unfallort zu verlassen (und dadurch seine Pflichten zu verletzen). Mittelbarer Täter könne der Außenstehende mangels Pflichtenstellung nicht sein, weshalb er als Teilnehmer zu qualifizieren sei (369); genauso wie der Nichtbeamte, der einen (vorsatzlos, irrend, schuldunfähig tätigwerdenden) Beamten mit Willensherrschaft zur Tatausführung eines Amtsdeliktes bringe (361). Wenn der vorsätzlich Handelnde allerdings den Tatbestand auch selbst erfüllen könne, sei er als (unmittelbarer oder mittelbarer) Täter des Handlungsdelikts zu bestrafen. Dies gelte zunächst für die unechten Sonderdelikte: hier begehe der Extraneus, der z.B. einen Beamten zur (vorsatzlosen, irrenden, im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen) Urkundenfälschung nach § 348 bringe, einmal Teilnahme an dieser Tat des Intraneus, dann aber auch das allgemeine Grunddelikt des § 267 oder des § 274 als Täter (vgl. 362), wobei dann die Konkurrenzfrage zu lösen sei (vgl. zur damaligen Rechtslage [§ 50 II] 363). Dies gelte zweitens auch für Allgemeindelikte überhaupt, so z.B. wenn jemand den Garanten durch Nötigung oder Täuschung von seiner Rettungshandlung abbringe (520). (Allerdings ist anzumerken, daß diese Lösung nicht unproblematisch ist: es ist nämlich nicht einzusehen, wieso diese Nötigung bzw. Täuschung die “Herrschaft über das Geschehen verschaff[en]” kann, derart, daß “nach der Ausschaltung des erfolgshindernden Faktors ... die Tat als Werk des [Hintermannes erscheint]” [520]; der Hinweis Roxins - der genötigte oder sachverhaltsunkundige Garant könne “über sein Tun nicht mehr im Bewußtsein der Rettungsmöglichkeit entscheiden” [521] - man zwar an sich richtig sein, kann aber die finale Lenkung des Geschehens über das nun durch keinen Eingriff gestörte oder abgewendete Geschehen nicht begründen.) Aber auch wenn man Roxin folgt: Eigentlich müßte konsequent neben dieser Handlungstäterschaft auch eine Teilnahme am - nicht notwendig vorsätzlichem - Pflicht(verletzungs)delikt des Garanten angenommen werden, die freilich hinter die Täterschaft zurücktreten würde. Auch Teilnahme durch vorsätzliches Unterlassen sei möglich (476 ff.): zwar mache grundsätzlich die Garantenpflichtverletzung an sich den Unterlassenden zum Täter; doch müsse er als Teilnehmer aufgefaßt werden, wenn er nach der spezifischen Formulierung des Tatbestandes nicht ein solcher Täter sein könne: wie z.B. bei eigenhändigen Delikten (479) oder höchstpersönlichen Pflichtdelikten (wie z.B. Fahnenflucht) (480). Eigentlich müßte Roxin einen weiteren Fall anerkennen (den er nach meiner Lektüre nicht behandelt hat): wenn nämlich die jeweilige Pflichtenstellung unterschiedlich ist, sich also z.B. ein Garant an dem Amtsdelikt eines anderen beteiligt. Aber dies müßte auch für unterschiedliche Garantenpflichten gelten (vgl. dazu 508 f., wo es allerdings um eine andere Frage geht). Wenn der Vater nicht eingreift, obwohl ein Tierhalter seinen Kampfhund nicht zurückruft, weshalb das Tier das Kind verletzt, müßte konsequent Mittäterschaft mangels gemeinsamen Tatentschlusses ausscheiden. Doch begeht jeder der beiden als Verletzer seiner Garantenpflicht § 223 als Täter; gleichzeitig fördert er durch sein (pflichtwidriges) Unterlassen die Tat des jeweils anderen, weshalb er als Teilnehmer anzusehen ist; wobei wiederum die Teilnahme hinter die Täterschaft zurücktritt. Noch mehr: selbst wenn der andere eine an sich gleiche Garantenstellung hat (wie etwa Vater und Mutter), müßte dies gelten. Konsequent nahm Roxin auch eine Teilnahme durch fahrlässiges Verhalten an. Denn zwar sei der die Sorgfaltspflicht Verletzende selbst Täter, könne dies aber nur sein, wenn er auch die besonderen personalen Voraussetzungen des Intraneus erfülle; andernfalls könne er als fahrlässiger Teilnehmer angesehen und bestraft werden, sofern es einen diesbezüglichen Tatbestand gebe (569 ff.). Aber auch hier wäre eine weitere Konsequenz zwingend: der fahrlässige Täter müßte auch fahrlässiger Teilnehmer an dem Fahrlässigkeitsdelikt eines anderen sein können; doch wäre ein solcher Tatbestand sicherlich unsinnig. - Anzumerken ist, daß innerhalb der Pflicht(verletzungs)delikte eigentlich keine Unterschiede bestehen konnten. Deshalb war konsequent auch eine vorsätzliche Teilnahme an einem Fahrlässigkeitsdelikt möglich, sofern der vorsätzlich Handelnde nicht mittelbarer Täter sei (was er nicht sein könne, wenn er nur Extraneus eines solche personalen Merkmale vorsehenden Fahrlässigkeitstatbestandes sei) (560); oder wenn er im Risikowissen dem bewußt fahrlässig und daher ebenfalls final die Handlungsherrschaft einnehmenden Ausführenden nicht überlegen sei (180 ff., 220 ff., 266 f., 560). Daher sei also eine solche Teilnahme möglich (560 ff.): erstens als Extraneus und zweitens, wenn der Betreffende das Risiko gleich einschätze wie der bewußt fahrlässige Täter. Drittens bezog Roxin auch den Fall ein, wenn jemand irrtümlich sich nur vorstelle, der andere handle vorsätzlich: liege beim anderen bewußte Fahrlässigkeit vor, so sei Teilnahme gegeben (266); liege nur unbewußte Fahrlässigkeit vor, sei das Ergebnis dasselbe, da auch hier der Hintermann ohne Tatherrschaft mitwirke (268). Zu bestrafen sei der Teilnehmer dann aus dem Strafrahmen des Vorsatzdeliktes (560). Strenggenommen müßte es daher auch eine vorsätzliche Teilnahme an einem nicht-vorsätzlichen Unterlassungsdelikt - das nicht einmal ein Fahrlässigkeitsdelikt sein müßte - geben. Da die Haupttat nicht vorsätzlich, aber auch nicht fahrlässig zu sein braucht, müßte die objektive Verletzung der Garantenpflicht ausreichen. Nimmt daher jemand an dieser (unvorsätzlichen und nicht fahrlässigen) Pflichtverletzung vorsätzlich teil, müßte er Teilnehmer (an dieser Tat) sein, der aus dem Strafrahmen des Vorsatzdeliktes zu bestrafen wäre. Dies müßte selbst dann gelten, wenn er mittelbarer Täter des vorsätzlichen Handlungsdeliktes wäre; doch würde dann die Teilnahme hinter die Täterschaft zurücktreten. - Für die eigenhändigen Delikte stellte Roxin auf eine der Tatherrschaft ähnliche Lösung ab. Teilnehmer könne jeder sein, der die Tatbestandshandlung nicht selbst vornehmen würde, vorausgesetzt, daß eine vorsätzliche eigenhändig begangene Haupttat vorliege (410 ff., 420).

 

33 Zum Abschluß legte Roxin trotz der eingestandenen Schwierigkeit, einen konkreten Begriff inhaltlich in Gesetzesparagraphen zu zwängen (594), einen eigenen Gesetzentwurf für unmittelbare, mittelbare und Mittäterschaft vor, der auch diese Differenz von Herrschafts- und Pflicht(verletzungs-)delikten berücksichtigte (595); nämlich: “§ a Unmittelbare Täterschaft: Unmittelbarer Täter ist, wer die Tatbestandshandlung selbst ausführt. § b Mittelbare Täterschaft: (1) Mittelbarer Täter ist, wer die Tatbestandsverwirklichung beherrscht, indem er 1. den unmittelbar Handelnden in schuldausschließender Weise nötigt oder seine auf anderen Gründen beruhende Willensunfreiheit ausnutzt; 2. unter Erregung oder Ausnutzung eines Irrtums die Tatbestandshandlung über den Willen des unmittelbar Ausführenden hinweg sinngestaltend lenkt; 3. im Rahmen organisatorischer Machtapparate sich eines ihm unterstellten Organs zur Deliktsverwirklichung bedient. (2) Bei Straftaten, deren Täterschaft durch die Verletzung einer Sonderpflicht begründet wird (Pflichtdelikte), ist mittelbarer Täter, wer den tatbestandsmäßigen Erfolg durch die Person eines Nichtpflichtigen bewirkt. § x Mittäterschaft: (1) Mittäter ist, wer auf Grund arbeitsteiligen Zusammenwirkens im Ausführungsstadium einen nicht unwesentlichen Tatbeitrag leistet. (2) Bei Pflichtdelikten ist Mittäter, wer durch die gemeinsame Verletzung einer gemeinsamen Pflicht zur Tatbestandsverwirklichung beiträgt.” Interessant ist, daß nach dem Wortlaut des § a die unmittelbare Täterschaft bei Pflichtdelikten (vor allem Unterlassungs- und Fahrlässigkeitsdelikten) nicht genannt wurden.

 

III. Die Reform 1975

 

34 Die Strafrechtsreform (vgl. dazu den Überblick bei Roxin AT § 4 Rn.15 ff.) wurde von Bundesjustizminister Th. Dehler im Jahre 1953 in Angriff genommen, indem er Professoren zu Grundsatzfragen Gutachten erstellen und auch rechtsvergleichende Arbeiten anfertigen ließ. Im Frühjahr 1954 berief dann der neue Justizminister F. Neumayer eine sog. “Große Strafrechtskommission”, deren Aufgabe es war, mit Unterstützung der Strafrechtsabteilung des BJM den Entwurf eines neuen Strafgesetzbuches zu erarbeiten. Die Kommission bestand aus 24 Mitgliedern: neben einigen Bundestagsabgeordneten sämtlicher Fraktionen die Professoren Bockelmann, Gallas (zu ihm Rn.21 ff.), Jescheck, R. Lange (zu ihm Rn.15), Mezger (zu ihm Rn.15), Eb. Schmidt, Sieverts, Welzel (zu ihm Rn.19 f.), die Richter Baldus, Koffka, K. Schäfer, Skott, Voll, Bundesanwalt Fränkel, die Rechtsanwälte Dahs und v.Stackelberg sowie die Ministerialbeamten Krille und Rösch. Berichterstatter für Täterschaft und Teilnahme waren Gallas und Schäfer. Anzumerken ist, daß die Frage von Täterschaft und Teilnahme nur für das “Begehungsdelikt” (gemeint: “Begehung durch Tun”) diskutiert wurde (vgl. kritisch dazu Stratenwerth ZStW 1964, 702). Die Frage nach der Täterschaft bei Unterlassungsdelikten wurde nur im Zusammenhang mit der geplanten Neuregelung (heute: § 13) angesprochen.

 

35 Auf die Tatherrschaftslehre, die Gallas seinem Gutachten zugrunde legte, ist in Fn.21 ff. bereits hingewiesen. Im Grundsätzlichen vertrat er die Auffassung, dass es sich bei dieser Thematik um einen Bereich handle, der der Willkür des Gesetzgebers entzogen, weil von dem vorgegebenen Sinn (Wesen) bestimmter Lebenssachverhalte (und eben des Phänomens der Handlung als final-objektiven Aktes) her geprägt sei (137, 145), weshalb ein einheitlicher Täterbegriff (Einheitstäter) abzulehnen sei. Die Figur des “Urhebers” lehnte er ab (149). Eine eigene Täterbestimmung hielt er aus sachlichen, aber auch aus ästhetischen Gründen für erforderlich. Als Ergebnis schlug Gallas folgende Neuregelungen vor (152 f.): “§ a: (1) Täter ist, wer die Tat selbst oder mit Hilfe eines anderen ausführt, der ohne Vorsatz oder zwar vorsätzlich, aber schuldlos handelt oder bei dem die besonderen persönlichen Merkmale oder die besonderen Absichten nicht vorliegen, von denen das Gesetz die Strafbarkeit abhängig macht. (2) Mittäter ist, wer die Tat gemeinschaftlich mit einem anderen ausführt. Jeder Mittäter wird als Täter bestraft. § b: (1) Anstifter ist, wer, ohne Täter (§ a) zu sein, vorsätzlich einen anderen zu der von diesem vorsätzlich begangenen Tat bestimmt hat. (2) Der Anstifter wird gleich einem Täter bestraft. § c: (1) Gehilfe ist, wer vorsätzlich einem anderen zu dem von diesem vorsätzlich begangenen Verbrechen oder Vergehen Hilfe geleistet hat. (2) Der Gehilfe wird nach den für den Täter geltenden Vorschriften, jedoch in der Regel milder bestraft. § d = § 49a. § e: (1) Anstifter und Gehilfe sind straflos, wenn der Täter nicht rechtswidrig handelt. (2) Gründe, die die Schuld ausschließen, sind nur bei dem Täter oder Teilnehmer zu berücksichtigen, bei dem sie vorliegen. § f: (1) Liegen die besonderen persönlichen Merkmale, von denen das Gesetz die Strafbarkeit abhängig macht, beim Teilnehmer nicht vor, so kann die Strafe des Anstifters gemildert werden; die Strafe des Gehilfen ist zu mildern. (2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafbarkeit schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Täter oder Teilnehmer, bei dem sie vorliegen. § g: Wegen fahrlässiger Täterschaft ist, wo das Gesetz eine fahrlässige Begehung vorsieht, auch derjenige strafbar, der fahrlässig die von einem anderen vorsätzlich begangene Tat fördert. In leichten Fällen kann von Strafe abgesehen werden.”

 

36 In der 16.-18. und 21. Sitzung am 3. Februar 1955 (abgedruckt im Band 2 der Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission) wurde dieser Gesetzesvorschlag von Gallas zusammen mit dem Vorschlag des Senatspräsidenten Dr. Karl Schäfer erörtert. Schäfer hatte zur gesetzgeberischen Zurückhaltung aufgefordert und davor gewarnt, das erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit im Abschluss an alte Reformforderungen neu geordnetes und erst kürzlich überprüften Rechtsgebiet zu reformieren; besser sei es, eine gesetzliche Festlegung zu vermeiden und der Entwicklung in Lehre und Rechtsprechung nicht vorzugreifen. In der Diskussion (16. Sitzung) lehnte Schäfer die Tatherrschaftslehre ab und trat auch für die Strafbarkeit der Anstiftung zu einer unvorsätzlichen Haupttat ein (84). Als Abgrenzungskriterium hielt er weiterhin die subjektive Theorie der Rechtsprechung - die nun auch der BGH vertrete - für sachgemäß und gerecht, lehnte aber die Badewannenentscheidung RGSt 74, 84 als zu weitgehend ab (85 f.). Er hatte vorgeschlagen: “§a. Wenn mehrere eine Tat gemeinschaftlich ausführen, so wird jeder von ihnen als Täter bestraft. §b. Wer vorsätzlich einen anderen zu der von ihm begangenen Tat bestimmt hat, wird als Anstifter gleich einem Täter bestraft. §c. Wer vorsätzlich einem anderen zu einer Tat Hilfe geleistet hat, wird als Gehilfe nach den für den Täter geltenden Vorschriften bestraft; jedoch kann die Strafe nach § ... gemildert werden. §d (wie § 49a StGB). §e. (1) Bestimmt das Gesetz, dass besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt dies nur für den Täter oder Teilnehmer, bei dem sie vorliegen. (2) Bestimmt das Gesetz, dass solche besonderen persönlichen Merkmale die Strafbarkeit begründen, so kann die Strafe des Anstifters, bei dem sie nicht vorliegen, nach § ... gemildert werden. §f. Jeder Beteiligte wird ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft.” - Die Sachbearbeiter des BJM (darunter die Ministeralbeamten Dallinger, Dreher, Schafheutle, Schwalm) hatten einen wieder anders lautenden Entwurf vorgelegt, der in manchem an die Entwürfe der Weimarer Zeit anknüpfte. Zugrunde gelegt war ausdrücklich die Tatherrschaftslehre, die aber nicht im Gesetz vorgeschrieben werden sollte, um die weitere Klärung in Lehre und Rechtsprechung nicht allzu sehr zu beengen. Die Formulierungen lauteten: “§a. (1) Als Täter wird bestraft, wer eine Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere eine Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder Mittäter als Täter bestraft. §b. Als Anstifter wird wie ein Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener Tat bestimmt hat. §c. Als Gehilfe wird wie ein Täter bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener Tat Hilfe geleistet hat. Die Strafe kann nach § x gemildert werden. §d. (1) Als Anstifter wird auch bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen Tat bestimmt hat und dabei irrig angenommen hat, der Täter habe bei der Begehung vorsätzlich gehandelt. (2) Entsprechendes gilt für den Gehilfen. §e. (1) Liegen persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände, welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfen) nicht vor, so ist dessen Strafe nach § x zu mildern. (2) Wenn solche besonderen persönlichen Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt dies nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen. §f. Jeder Beteiligte wird ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft.” In der 16. Sitzung erläuterte OLGrat Schwalm diesen Entwurf. Er lehnte die “animus”-Theorie der Rechtsprechung als unbrauchbar ab: denn sie sei eigentlich nur “eine Tarnung für die richterliche Wertung auf Grund einer Ganzheitsbetrachtung” (89), da nicht wirklich ein Täterwille festgestellt, sondern unter bestimmten Umständen ein solcher aufgrund wertender Betrachung einfach unterstellt (fingiert) werde. Obwohl Schwalm persönlich eher der Einheitstäter-Regelung zuneigte (92), trat er für einen Verzicht auf eine ausdrückliche Täterbestimmung im Sinne irgendeiner Täterlehre ein; es sollten nur in §a mittelbarer und Mit-Täter geregelt werden, wobei die Formulierung “begeht” (statt “ausführt”) nur andeute, dass man nicht nur eigenhändig den Tatbestand verwirklichen könne, sondern auch durch einen anderen (92). §d zeige, dass nicht zum Begriff der Teilnahme gehöre, dass der Täter die Tat vorsätzlich begangen habe; vielmehr werde die Akzessorietät vom Standpunkt des Teilnehmenden aus beurteilt, d.h. von seinen Vorstellungen über die Beherrschung der Tat durch den andern: “Teilnahme ist also Anerkennung vorgestellter fremder Tatherrschaft” (92 f.). Schwalm berief sich dabei in einigen Punkten auf ein Gutachten von Welzel über die Auswirkungen der finalen Handlungslehre auf das Strafrecht (vgl. 88).

 

37 Eb. Schmidt wollte die Anstiftung in der Einheitstäterschaft aufgehen lassen, aber die Beihilfe als eine “besondere Erscheinungsform des verbrecherischen Verhaltens” herausstellen und wertmäßig absetzen (94). Bockelmann schloß sich in vielem den Ausführungen von Gallas an, bestand aber darauf, dass der Täter nicht nur vorsätzlich, sondern auch mit Unrechtsbewußtsein gehandelt haben müsse; die Irrtumsregelung in dem Entwurf des BJMs lehnte er ab, da derjenige - der lediglich glaube, Teilnahme zu leisten - in Wahrheit nur Versuch der Teilnahme begehe (96 f.). Lange wollte sich im wesentlichen den Ausführungen Schäfers anschließen, obwohl er im Ansatz der Tatherrschaftslehre von Gallas folge: doch müsse die Tatherrschaft nicht nur eine Redensart bleiben, sondern in die objektiven und subjektiven Erfordernisse aufgelöst werden, nämlich einmal in die tatbestandsmäßige Adäquität der Handlung, sodann in den Willen und das Bewusstsein, die Dinge wirklich zu lenken (96). Mezger nahm nur zur Frage der Teilnahme an unvorsätzlicher Tat Stellung: die er aufgrund eines objektiv-kausalen Täterbegriffs bejahte (97). Jescheck erklärte sein volles Einverständnis mit den dogmatischen Grundlagen des Gallas-Vorschlages (98). Für Ministerialdirigent Krille bestand “wohl in diesem Kreis kein Zweifel, dass die zur Zeit herrschende subjektive Theorie ... nicht mehr die Grundlage unserer Teilnahmeregelung bilden sollte”, da diese doch in Wahrheit nur eine wertende Ganzheitsbetrachtung sei (99); es müsse aber doch noch grundsätzlich über den Einheitstäter nachgedacht werden (98). Welzel vertrat einige Thesen seines eigenen Gutachtens, vor allem das Erfordernis der vorsätzlichen Haupttat, da sonst die ganze Tatbestandstechnik verlorengehe und die Gefahr entstehe, wieder in die Nähe einer Bestrafung nach gesundem Volksempfinden zu kommen (99). Rechtsanwalt v.Stackelberg trat vehement für den Einheitstäterbegriff ein (100), Ministerialdirektor Schafheutle erinnerte an die Diskussionen in der Strafrechtskommission 1934 bis 1936 und lehnte diese Theorie ab (100). Der Vorsitzende - BJM Neumayer - schlug eine Unterkommission (Gallas, Schäfer, Welzel, Krille, Schafheutle, Schwalm) zur Klärung der Grundfragen vor. Diese stellte einige Leitsätze und Fragen heraus und in der 18. Sitzung am 4.Februar 1955 zur Abstimmung. Die Einheitstäterlösung wurde mit großer Mehrheit (für sie nur Jescheck und Krille) abgelehnt; die Begriffsbestimmung der Mittäterschaft wurde einstimmig für erforderlich gehalten; für die Bestimmung von Täter und mittelbaren Täter traten 8 Mitglieder ein, während 7 für ein Absehen solcher Definitionen stimmten; 12 Stimmen (gegen 4 Neinstimmen) waren dafür, dass die Teilnahme die vorsätzliche Begehung der Haupttat voraussetzen solle und dass außerdem festgelegt werden solle, dass für die Strafbarkeit des Teilnehmers dessen Vorstellung - die Haupttat werde vorsätzlich begangen - genüge; die Strafmilderung für die Beihilfe sollte mit 10 gegen 6 Stimmen obligatorisch sein;

 

38 Am 21. März 1955 in der 18. Sitzung erörterte man erneut das Problem von Täterschaft und Teilnahme. Das BJM hatte seinen Gesetzesvorschlag überprüft und aufgrund der Beratungen des Unterausschusses eine neue Fassung hergestellt: “§a. Täterschaft: (1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst ausführt. (2) Als Täter wird auch bestraft, wer vorsätzlich die Straftat durch einen anderen ausführt, der ohne Vorsatz oder trotz Vorsatzes schuldlos handelt oder bei dem nicht die besonderen persönlichen Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) oder besonderen Absichten vorliegen, welche die Strafbarkeit begründen. §b (Handeln für einen anderen) ... §c. Mittäterschaft: Führen mehrere eine Straftat gemeinschaftlich aus, so wird jeder Mittäter als Täter bestraft. §d. Anstiftung: Als Anstifter wird wie ein Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat. §e. Beihilfe: Als Gehilfe wird wie ein Täter bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. Die Strafe kann ... gemildert werden. (Die Strafe ist ... zu mildern). §f. Irrtum über den Tätervorsatz: (1) Wie ein Anstifter wird bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen nicht vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt und dabei angenommen . hat, der Täter werde bei der Begehung vorsätzlich handeln. (2) Entsprechendes gilt für die Beihilfe. §g (Besondere persönliche Merkmale) ... §h. Selbständige Strafbarkeit der Beteiligten: Jeder Beteiligte wird ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft.” Zugleich wurde auch eine Alternativfassung auf Grundlage eines Einheitstäterbegriffs erarbeitet, hatte doch in der Zwischenzeit der österreichische Strafrechtler Nowakowski über die Reformversuche in seinem Land und das Eintreten für die Einheitstäterschaft berichtet (115). OLGrat Schwalm erläuterte diese alternative Fassung - die folgenden Wortlaut hatte:”§a. Täterschaft: Als Täter wird bestraft, wer eine Straftat begeht oder sich an der Begehung beteiligt. §b (Handeln für einen anderen) ... §c. Untergeordnete Beteiligung: Wer sich an einer Straftat nur in untergeordneter Weise beteiligt, kann ... milder bestraft werden.” - und legte die Gründe dar, die gegen eine solche Einheitstäter-Lösung sprechen würden: Unlösbarkeit der Gewichtung der einzelnen Tatanteile, Schwierigkeiten bei den Sonder- und eigenhändigen Delikten, Einheit mit den Versuchsbestimmungen (115 f.). Die Kriterien der Abgrenzung von Täter und Teilnehmer sah er in dem materiell-objektiven Täterbegriff (118). Die Irrtumsregelung des §f sah er als durchaus problematisch an: zwar vermeide die Formulierung “wie ein Anstifter” eine ausdrückliche Festlegung des Wesens der Teilnahme; doch sei unter dieser “Tat” vorausgesetzt, dass sie rechtswidrig begangen sei: gehe aber z.B. die Handlung des vermeintlichen Vorsatztäters fehl (erreiche also keinen Erfolg), sei dieses Erfordernis der Rechtswidrigkeit und damit der Tat (als Versuch) nicht gegeben, wenn der Vorsatz als subjektives Tatbestandserfordernis aufgefaßt werde; doch könne die Auslegung dieses “Tat”begriffs der Rechtsprechung überlassen werden (117). Die sich anschließende Diskussion brachte keine neuen Argumente. Der Vorsitzende - BJM Neumayer - setzte wieder die Unterkommission (mit Gallas, Schäfer, Schafheutle, Schwalm) ein, die neue Vorschläge und Alternativen ausarbeiten sollte.

 

39 In der 21. Sitzung am 24. März 1955 wurde über diese Vorschläge abgestimmt. Gegen eine Täterdefinition sprachen sich 10 Mitglieder aus, für eine solche 8 Mitglieder. Für den Fall, dass eine solche Definition aufgenommen werden würde, traten 8 für die neue Fassung des BJMs ein, 9 Mitglieder schlugen eine neue Fassung - genauer: die Fassung, die R. Lange bereits 1945 in dem “Gesetz über die Anwendungdes Strafgesetzbuches im Lande Thüringen” formuliert hatte (vgl. Rn.4) (dazu Schroeder Täter 114 ff.) - vor: ”Als Täter wird bestraft, wer eine Straftat selbst oder durch einen anderen begeht”. Die Bestimmungen über Mittäterschaft, Anstiftung und Beihilfe wurden im wesentlichen mit großer Mehrheit angenommen, ebenso der Vorschlag für die obligatorische Strafmilderung der Beihilfe. Ausführlich wurde über das Problem des Irrtums über den Tätervorsatz diskutiert, für das drei alternative Lösungen vorgeschlagen waren. Mit 10 (gegen 7, bei einer Enthaltung) wurden der ursprüngliche Vorschlag abgelehnt und folgende neue Fassung angenommen: “Die §§ c und d gelten entsprechend, wenn der Täter den tatbestandsmäßigen Erfolg entgegen der Annahme des Anstifters oder Gehilfens nicht vorsätzlich herbeigeführt hat”.

 

40 Das BJM veröffentlichte die Vorschriften des Allgemeinen Teils nach den Beschlüssen der Großen Strafrechtskommission in erster Lesung im Dezember 1956 (gedruckt 1957)(dazu z.B. Sax ZStW 1957, 412 ff.) und dann insgesamt als Entwurf 1958. Dabei wurden in erstaunlicher Weise die Mehrheitsbeschlüsse der Kommission nicht berücksichtigt, sondern nur in Fußnoten angegeben. Inhaltlich wurden die Formulierungen des BJM-Vorschlages übernommen, also §a (Täterschaft) in § 28, §c (Mittäterschaft) in § 29, §d (Anstiftung) in § 30 - mit den Änderungen, dass der Anstifter “gleich einem Täter” bestraft werden sollte und einen anderen “zu dessen rechtswidrig begangener vorsätzlicher Tat” bestimmt haben mußte -, §e (Beihilfe) in § 31 - mit der Änderung, dass der Gehilfe einem anderen “zu dessen rechtswidrig begangener vorsätzlicher Tat” Hilfe geleistet haben mußte -, §f (Irrtum über den Tätervorsatz) in § 32 - mit der Formulierung des Abs.1: “Wie ein Anstifter wird bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen rechtswidrig begangener Tat in der irrigen Annahme bestimmt hat, der Täter werde bei der Begehung vorsätzlich handeln” -, §g (Besondere persönliche Merkmale) in § 33 und schließlich §h (Selbständige Strafbarkeit des Beteiligten) in § 34. In der Begründung wurde der Einheitstäterbegriff abgelehnt, da er die tatbestandliche Einordnung der einzelnen Beteiligungsformen vergröbere (35). Zugrunde gelegt wurde also das herkömmliche Teilnahmesystem, wobei Mittäterschaft nicht mehr als Teilnahmeform aufzufassen war. Als Kriterium der Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme wurden sowohl objektive als auch subjektive Theorie abgelehnt: letztere ausführlich mit den Hinweisen, dass durch die ausschließlich kausale Betrachtungsweise alle Bedingungen für den Taterfolg für gleichwertig aufgefaßt würden, wodurch die Beteiligungsformen an Umriß und Gestalt verloren hätten, und dass oft über das Vorliegen eines Täter- oder Teilnehmerwillens eine nachfolgende Ganzheitsbetrachtung entscheide, wodurch eine formelhafte Rechtsanwendung eingetreten sei (36). Statt derer wurde auf den in Rechtsprechung und Rechtslehre entwickelten, den Gegensatz von objektiver und subjektiver Theorie überwindenden Gedanken der “Tatherrschaft” abgestellt (wenn auch nicht ausdrücklich in § 28 hineingeschrieben). Danach gehöre nicht nur ein Beherrschen-Wollen, sondern auch ein Beherrschen-Können zur Täterschaft, weshalb wesentlicher Anhaltspunkt sei, wie weit der Beteiligte den Geschehensablauf selbst in der Hand habe - mag er unmittelbar zugreifen oder sich eines Werkzeugs bedienen -, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (36). Aus dem Tatherrschaftsgedanken folge auch die Ausgestaltung der Akzessorietät der Teilnahme, die wesensgemäß eine vorsätzliche Haupttat voraussetze; zudem sei bei vielen Tatbeständen die Ausführungshandlung (z.B. sich zueignen, ausbeuten, dem Wilde nachstellen, das Recht beugen, verheimlichen) in ihrem eigentlichen Sinngehalt und Unwert nur unter Berücksichtigung des Vorsatzes zu begreifen, eine Ausführungshandlung ohne Vorsatz also sinnentleert (36). Doch sei ein Teilnehmer jedenfalls strafbar auch dann, wenn den Täter kein Schuldvorwurf treffe (36). Eine Ausnahme von diesem Erfordernis einer vorsätzlichen Haupttat regele § 32, wonach für die Frage - ob eine strafbare Teilnahme vorliege - das Vorstellungsbild des Teilnehmers von der Haupttat maßgebend sein solle; es werde dem Teilnehmer dann das zugerechnet, was seinem Teilnehmerwillen entspreche, habe er doch schließlich auch an einer rechtswidrigen Tat mitgewirkt (39). Wenn der Teilnehmer wisse, dass der Ausführende ohne Vorsatz handle, liege mittelbare Täterschaft vor (40). Diese Form der Täterschaft wurde wie auch die Mittäterschaft für regelungsnotwendig gehalten, da nach dem Wortlaut der einzelnen Strafdrohungen des Besonderen Teils strafbar nur derjenige sei, der den Tatbestand selbst, also alle Tatbestandsmerkmale in seiner Person verwirkliche (35, 37). Diese unmittelbare Täterschaft wurde in § 28 Abs.1 geregelt. Zugleich sollte damit ausgeschlossen werden, denjenigen, der die Tat selbst ausführt (also in eigener Person falsch schwört, tötet, beschädigt, Unzucht treibt, wegnimmt), wegen eines etwa fehlenden Täterwillens als Teilnehmer anzusehen; was bedeutete, dass die neue Täterregelung einen schärferen äußeren Umriß geben wolle (37). Die mittelbare Täterschaft wurde ebenfalls ausdrücklich vorgesehen, da es keinen Unterschied machen dürfe, ob sich jemand einer Sache oder eines Menschen bediene, um eine Straftat zu begehen. Ausdrücklich wurden vier Formen der mittelbaren Täterschaft angeführt - durch ein irrendes/ unwissendes, ein schuldunfähiges/ entschuldigtes, ein nicht durch die erforderlichen besonderen persönlichen Merkmale qualifiziertes und ein nicht vorsätzlich handelndes Werkzeug - ; doch nannte die Begründung auch das tatbestandslos und das nicht rechtswidrig handelnde Werkzeug (37). Für die Mittäterschaft stellte die Begründung den Tatplan in den Mittelpunkt: es sei nicht erforderlich, dass der Beteiligte in eigener Person irgendein Tatbestandsmerkmal verwirkliche, es reiche auch die Vornahme einer bloßen Vorbereitungs- oder Beihilfehandlung aus; wesentlich sei nur, dass er sich zur gemeinschaftlichen Tatausführung mit anderen verbunden und den Tatbeitrag - den er innerhalb des Tatplans übernommen habe - als Teil der gemeinsam zu verwirklichenden Gesamttat leiste, deren Durchführung und Ausgang er hierdurch mitbeherrsche. Als Beispiel wurden die drei Wilderer genannt, die sich zusammengeschlossen hätten, um einen Förster zu töten: alle drei seien Täter des Mordes, auch wenn der eine das Opfer in die Falle gelockt, die beiden anderen geschossen hätten, aber nur einer getroffen habe (38). Die Teilnehmer dagegen würden sich an einer fremden Tat beteiligen, weshalb die Tatherrschaft bei dem Täter der Haupttat liege (38). Dem Anstifter gehe es darum, eine fremde Tat auszulösen; er werde aber “gleich einem Täter” bestraft, also so behandelt, als ob er die Tat selbst ausgeführt hätte (38). Der Gehilfe leiste Hilfe, d.h. unterstütze und fördere durch Rat oder Tat eine fremde Tat, unterordne sich also der Tatherrschaft eines anderen (39). Ausdrücklich stellte die Begründung klar, dass Beihilfe auch durch Unterlassen begangen werden könne (39). Sonst wurde die Beteiligung durch Unterlassen nicht erwähnt. Nur in § 13 (“Begehen durch Unterlassen”) wurde ausdrücklich die Garantenpflicht auf “Täter oder Teilnehmer” bezogen; nach der Begründung sollte offengelassen werden, ob die Unterlassung den Verpflichteten als Täter oder Teilnehmer erscheinen lasse, da dafür die näheren Regelungen der §§ 28 bis 32 maßgebend seien (21). Schließlich wurde die Regelung des § 34 als Mittelpunkt der Teilnahme- und Schuldlehre hervorgehoben: nicht nur als Verselbständigung der limitierten Akzessorietät der Teilnahme, sondern darüber hinausgehend als Forderung, bei jedem Beteiligten an einer Straftat die Schuld gesondert zu prüfen (41).

 

41 Dieser Entwurf 1958 wurde ohne inhaltliche Veränderungen des Täterschaft/ Teilnahme-Abschnittes - nur mit einer um eine Nummer erhöhten Numerierung der Paragraphen (also statt z.B. § 28 E 1958 nun § 29) - als Entwurf 1959 veröffentlicht und in der Großen Strafrechtskommission (nämlich in der 118. und 122. Sitzung am 12. und 18. März 1959 [abgedruckt im Band 12 der Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission] beraten, wobei die gutachterlichen Stellungnahmen der Landesjustizverwaltungen, aber auch einiger Mitglieder der Kommission (vor allem Jescheck, Welzel) einbezogen wurden. Vor allem stand die vorgesehene Regelung der mittelbaren Täterschaft zur Diskussion. OLGrat Tröndle begründete für das BJM die Notwendigkeit einer Begriffsbestimmung, um den “primären Täterbegriff” - d.h. den Vorrang der Täterschaft vor der Teilnahme - zu verdeutlichen (139). Schwierigkeiten würden allerdings einmal der Dohna-Fall - A lauert dem B an einsamer Stelle nachts in Mordabsicht auf, B erfährt davon und manövriert seinen eigenen Feind C in diese Situation mit der Folge, dass A den C (den er für B hält) umbringt - , sodann der Einsatz eines vermeintlich gutgläubigen Werkzeugs - A ist mit B auf der Jagd, sieht den Förster C und veranlaßt den B, darauf zu schießen, indem er ihm sagt, es sei ein Wildschwein; doch hat B die Sachlage richtig erkannt und erschießt vorsätzlich C - machen: es sollte die Möglichkeit eines “Täters hinter dem Täter” (Lange) offen- und der Klärung durch Rechtsprechung und Lehre überlassen werden (139 f.) (wobei Tröndle selbst - gegen die oben genannte These des Gutachters Gallas - für diese Form der mittelbaren Täterschaft eintrat, da es nur um die Beurteilung der Tatherrschaft des Hintermannes gehen könne [140]). Und erneut wurde bekräftigt, dass der Entwurf von der Tatherrschaftslehre ausgehe, aber nicht ausdrücklich eine diesbezügliche Definition aufnehmen wolle (141). Als Alternative wurden zur Abstimmung gestellt: entweder die von der Mehrheit der Kommission bereits 1955 angenommene Fassung des § 29 (früher: § 28) oder die Anführung der vier Formen der mittelbaren Täterschaft als bloße Beispiele (“insbesondere”). Die Diskussion brachte unüberbrückbare Gegensätze zum Vorschein; die vorgetragenen Beispielsfälle wurden unterschiedlich gelöst (wie z.B. der Fall: A spiegelt dem B Indizien vor, aus denen dieser schließt, seine Frau habe mit X die Ehe gebrochen, woraufhin B - wie von A gewollt - den X verprügelt; für Bockelmann mittelbare Täterschaft des A, für Eb. Schmidt Beihilfe des A, für Welzel Straflosigkeit des A [144]); MinR Dreher berief sich auf § 33 WStG als bereits geregelten Fall eines Täters hinter dem Täter (144); MinDir Schafheutle wies auf die Lehre von der Tatherrschaft hin, die zur 1. Alternative führen müßte (145). Es kam zur Abstimmung. 13 Mitglieder waren für die 1. Alternative (bei 6 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen) (148). Geändert werden sollte die Formulierung, dass (Mit-) Täter die Tat “ausführt”: es sollte nun auf “begehen” abgestellt werden, um künftig jene Rechtsprechung zu sichern, dass der Mittäter in eigener Person kein Tatbestandsmerkmal zu verwirklichen brauche, sondern dass es genüge, wenn er bloße Vorbereitungshandlungen begehe (141). Bayern hatte sogar eine Ergänzung für die Regelung der Mittäterschaft vorgeschlagen, wonach “jeder von ihnen ohne Rücksicht auf Art und Umfang seines Tatbeitrags als Täter bestraft” werde, die das BJM zu übernehmen vorschlug (142). Gallas trat für Ablehnung dieser Ergänzung ein, da damit die subjektive Theorie im Gesetz festgeschrieben werde, was gegen die Tatherrschaftslehre - die er vertrete - gehe; er schlug die Formulierung “Begehen mehrere die Tat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft” (142). Bundesrichterin Koffka trat dem bei, woraufhin Schafheutle den Ergänzungsvorschlag zurückzog und die neue Formulierung vorschlug (147), die dann auch einstimmig angenommen wurde (148). Intensiv wurde auch die Regelung des § 33 (früher: § 32) bezüglich des Irrtums über den Tätervorsatz diskutiert. Es wurde das Problem gesehen, dass eine versuchte Tat nur vorsätzlich begangen werden und daher als unvorsätzliche keine rechtswidrige Tat im Sinne dieser Bestimmung sein könne (weshalb in einem solchen Falle nur versuchte Teilnahme angenommen werden könnte) (148 ff.). Es wurde eine Unterkommission eingesetzt (mit einem Theoretiker - Sieverts - und 6 Praktikern, darunter Tröndle, Lackner), die drei Alternativen für die 122. Sitzung am 18. März 1959 ausarbeitete. Die von der Mehrheit der Kommission früher verabschiedete Lösung - “Die §§ 31 und 32 gelten entsprechend, wenn der Täter den tatbestandsmäßigen Erfolg entgegen der Annahme des Anstifters oder Gehilfen nicht vorsätzlich herbeigeführt hat” - wurde nun mit 17 Stimmen (gegen 2 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen) zurückgewiesen; dann entschieden sich 18 Stimmen (bei 1 Gegenstimme und 2 Enthaltungen) für die Formulierung des § 33 des E 1959 (268). Freilich hatte schon Gallas darauf hingewiesen, dass in diesen Fällen objektiv mittelbare Täterschaft und subjektiv Teilnahme vorliegen würde, weshalb es angemessen sei, den Hintermann “mindestens” als Teilnehmer aufzufassen und ihn daher mit der Teilnehmerstrafe zu belegen (150).

 

42 So wurde schließlich (vgl. Roxin AT § 4 Rn.16) der Entwurf 1962 mit folgenden Bestimmungen des Dritten Titels “Täterschaft und Teilnahme” veröffentlicht (BT-Drs.IV/ 650; bzw. V/ 32) und der wissenschaftlichen Diskussion ausgesetzt: “§ 29. Täterschaft: (1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter). § 30. Anstiftung: Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat. § 31. Beihilfe: (1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Die Strafe ist nach § 64 Abs.1 zu mildern. § 32. Irrtum über den Tätervorsatz: (1) Wie ein Anstifter wird bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen rechtswidrig begangener Tat in der irrigen Annahme bestimmt hat, der Täter werde bei der Begehung vorsätzlich handeln. (2) Entsprechendes gilt für die Beihilfe. § 32. Besondere persönliche Merkmale: (1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs.1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 64 Abs.1 zu mildern. (2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt dies nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen. § 34. Selbständige Strafbarkeit der Beteiligten: Jeder Beteiligte wird ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft.” Die Begründung folgte im wesentlichen wörtlich den Ausführungen zum Entwurf 1958/ 1959 (vgl. dazu allgemein Schmitz-Esser Teil 100 ff.). Die neue Fassung der mittelbaren Täterschaft wurde mit dem Hinweis auf die Vielgestaltigkeit dieser Rechtsfigur begründet, deren weitere Klärung der Wissenschaft überlassen bleiben sollte (149). Auf das Unterlassen wurde wie früher nur im Zusammenhang mit der Beihilfe eingegangen (151). Die Regelung des § 13 (“Begehen durch Unterlassen”) enthielt den früheren Hinweis auf “Täter oder Teilnehmer”. Die Begründung stellte ausdrücklich klar, daß damit abweichend von einer Lehrmeinung (offensichtlich gemeint: Grünwald ZStW 1958, 430; GA 1959, 110 ff.) (und übereinstimmend mit der Rechtsprechung) die Möglichkeit einer Beihilfe durch Unterlassen anerkannt werde: dabei müsse die Abgrenzung “nach den allgemeinen Unterscheidungsmerkmalen und dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit” getroffen werden; so entspreche es den “Erfordernissen der Gerechtigkeit und einem praktischen Bedürfnis”, in dem Fall - daß ein Garant (wie z.B. ein Nachtwächter) einen von einem vorsätzlich Handelnden durch positives Tun herbeigeführten Erfolg nicht abwendet (also z.B. den Diebstahl) - nur Beihilfe anzunehmen (126). Dabei ist anzumerken, daß § 13 keine Strafmilderung für die Begehung durch Unterlassen vorsah. .

 

43 Die Strafrechtswissenschaft nahm in vielfacher Weise kritische Stellung zu dem Entwurf 1962, sei es in grundsätzlichem Sinne, sei es zu einzelnen Bestimmungen; manche legten eigene Fassungen vor. Der Vorschlag Roxins in seiner Habilitationsschrift 1963 wurde bereits in Rn.39 genannt. J. Baumann veröffentlichte im selben Jahr einen eigenen “Entwurf eines Strafgesetzbuches. Allgemeiner Teil”, in dem die Täterbestimmung in veränderter Form - nämlich unter Zugrundelegung der subjektiven Tätertheorie (vgl. Baumann Streitschriften 99 f.) - vorgeschlagen wurde: “ § 19. Täterschaft: (1) Als Täter wird bestraft, wer die Tat selbst und für sich begeht oder durch einen anderen für sich begehen läßt. (2) Begehen mehrere eine Tat gemeinschaftlich (Mittäter), so wird jeder als Täter bestraft”; die Umschreibung von Anstiftung und Beihilfe wurde dagegen übernommen, statt des § 32 E 1962 sollte in einem jeweils 2. Absatz heißen: “Auch bei irriger Annahme des Tätervorsatzes liegt Anstiftung [bzw. Beihilfe] vor”; die übrigen Bestimmungen wurden unverändert gelassen. J. Baumann und C. Roxin waren unter den 14 Professoren, die im Oktober 1966 den Allgemeinen Teil des Alternativ-Entwurfs vorlegten (dazu Roxin AT § 4 Rn.20). Darin wurde die Regelung über Täterschaft unverändert gelassen. Eine weitergehende Festlegung der verschiedenen Täterschaftsformen wurde ausdrücklich abgelehnt, um die Klärung unterschiedlicher Streitfragen der Entwicklung in Lehre und Rechtsprechung zu überlassen; doch sollte durch Abs.1 klargestellt sein, daß jeder - der die Tat selbst begeht, d.h. alle Tatbestandsmerkmale in seiner Person erfüllt - Täter ist, weshalb die Annahme einer bloßen Beihilfe in einem solchen Fall ausgeschlossen ist. Die Bestimmungen über Anstiftung und Beihilfe wurden in dreifacher Weise verändert. Zunächst wurde die Kennzeichnung der Haupttat als “vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat” gestrichen. Statt dessen wurde vorgeschlagen: “§ 28. Anstiftung: (1) Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen Tat bestimmt” bzw. “§ 29. Beihilfe: (1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen Tat Hilfe leistet”. Damit sollte die Streitfrage - ob eine Teilnahme auch an unvorsätzlicher Haupttat möglich sein sollte - offengelassen und der Entwicklung in Lehre und Rechtsprechung überlassen bleiben (67). Die Streichung des Vorsatzerfordernisses führte zugleich zur Streichung des § 32 des E 1962, der den Irrtum über den Tätervorsatz regelte, als überflüssig (67). Freilich hatte dies die Konsequenz, daß der Irrende nun “als” Anstifter bzw. Gehilfe (und nicht mehr bloß “wie” ein solcher) bestraft werden konnte. Handelte der Täter in diesem Irrtumsfall nicht einmal objektiv sorgfaltswidrig (und damit nach vertretenen Meinungen nicht rechtswidrig), entstand das Problem des Rechtswidrigkeitserfordernisses der Haupttat. Daher wurde auch dieses “rechtswidrig” gestrichen, zumal ein solcher Hinweis für überflüssig gehalten wurde, da sich der Grundsatz der limitierten Akzessorietät bereits aus § 34 des E 1962 (Selbständige Strafbarkeit des Beteiligten) ergeben würde. Zudem sollten ebenfalls Streitfragen nicht vorentschieden werden; wie z.B. nach der Strafbarkeit dessen, der einen anderen zu einer wegen Notstands entschuldigten Handlung brachte (67). Drittens wurde auch für den Anstifter eine fakultative Strafmilderung in einem § 28 II vorgeschlagen. Denn die Gleichstellung des Anstifters mit dem Täter sei mit der Schuldteilnahmetheorie zu begründen, die aber dem Grundsatz der limitierten Akzessorietät widerspreche. Außerdem entspreche es einem rechtsstaatlichen Tatstrafrecht, die Nähe zum Handlungsgeschehen als wesentlichen Umstand auch bei der Anstiftung zu berücksichtigen: denn ein schnell gesprochenes Wort z.B. verdiene oft geringere Strafe als das Verhalten dessen, der die maßgebliche Entscheidung über die Tat fälle und sie auch unter seiner Herrschaft durchführe. Auf diese Weise ergebe sich auch eine eindeutige Stufenfolge der Beteiligungsformen - Täterschaft, Anstiftung, Beihilfe -, die auch die Lösung des Konkurrenzproblems erleichtere (69). Die übrigen Bestimmungen des E 1962 - also bezüglich der besonderen persönlichen Merkmale und der Selbständigen Strafbarkeit des Beteiligten - wurden gleichlautend übernommen. Vor allem wurde der Grundsatz der limitierten Akzessorietät betont: zwar liege in vielen Fällen bei fehlender Schuld des unmittelbare Handelnden eine mittelbare Täterschaft des Außenstehenden vor; aber für die Tatbestände, bei denen die Täterschaft durch eine besondere Pflichtenstellung begründet werde, habe der Grundsatz große Bedeutung; denn derjenige, der einen anderen - bei dem die Voraussetzungen des entschuldigenden Notstands vorliegen würden - zu einer Rechtsbeugung oder Untreue zwinge, müsse als Anstifter bestraft werden können (69) (was bedeutet, daß hier offensichtlich nicht an eine mittelbare Täterschaft gedacht wurde). Die Bestimmung des “Begehens durch Unterlassen” (§ 12) wurde grundlegend neu gestaltet; dabei wurde der Hinweis auf “Täter oder Teilnehmer” gestrichen (ohne daß dies ausdrücklich begründet wurde). - Auf der Strafrechtslehrertagung in Münster 1967 wurde dieser Gesetzesvorschlag diskutiert. W. Gallas stimmt im wesentlichen zu, auch der Streichung des Erfordernisses der “vorsätzlich rechtswidrigen” Haupttat, da “die Logik der Sache einer Hilfe durch den Gesetzgeber nicht bedarf”; zudem sei dann grundsätzlich eine Bestrafung der Teilnahme im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte möglich (ZStW 1968, 31) (und daher wohl auch vorzusehen). Nur der fakultativen Strafmilderung für den Anstifter gegenüber war er skeptisch (32). Anzumerken ist, daß Gallas auch einen neuen Vorschlag für die Regelung der Unterlassungsdelikte formulierte, der trotz der grundsätzlichen Möglichkeit einer Strafmilderung zusätzlich an der Formulierung “Täter oder Teilnehmer” festhielt (20). Grundsätzlich kritischer war Armin Kaufmann, der diese Vorschriften “gut fürs Kolleg, in der Sache überflüssig” einschätzte (ZStW 1968, 35); noch mehr: er leugnete bereits ein bestehendes Reformbedürfnis und schlug vor, bei der geltenden Regelung des StGBs zu bleiben (33 ff.). Davon abgesehen, billigte er das Weglassen des Vorsatzerfordernisses bei der Haupttat, begrüßte die fakultative Strafmilderung der Anstiftung, lehnte die obligatorische Strafmilderung bei der Behilfe dagegen ab (37).

 

44 Der Sonderausschuß für die Strafrechtsreform, dem Abgeordnete aller Parteien angehörten und der mit Unterstützung des BJM arbeitete (vgl. Roxin AT § 4 Rn.24), behandelte in der 5. Wahlperiode beide Entwürfe - da auch der Alternativ-Entwurf (Allgemeiner Teil) von der Faktion der FDP in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden war (vgl. BT-Drs. V/ 2285), während die beiden Koalitionsparteien CDU und SPD aufgrund ihrer Vereinbarung formal am E 1962 festhielten - , dabei die Bestimmungen über Täterschaft und Teilnahme in der 82., 87. und 91. Sitzung (am 4.Oktober, 16. November, 14. Dezember 1967) sowie die Regelung für unechte Unterlassungsdelikte in der 92. Sitzung (am 18.Januar 1968). In der 82. Sitzung referierte MinR Sturm für das BJM im wesentlichen die Begründung die E 1962 (und damit die des E 1958/ 1959) (1647 ff.). Die Änderungsvorschläge des AE wurden abgelehnt. Interessant ist, dass dabei eine deutliche Skepsis gegenüber der Tatherrschaftslehre zum Ausdruck gebracht wurde: es erscheine fraglich, ob mit diesem Gedanken wirklich eine alle Fälle befriedigende Formel gefunden sei; doch ergebe sich aus der Formulierung der Selbsttäterschaft doch “wohl ein gewisser Trend” in der Richtung, dass, wer die Tat selbst begehe, in aller Regel Täter sei, so dass Urteile, die darauf hinausliefen, den allein Handelnden lediglich als Gehilfen zu bestrafen, künftig wohl seltener würden (1649). Die 87. Sitzung begann Sturm mit einem Paukenschlag, indem er die von Armin Kaufmann (vgl. ZStW 1968, 34 ff.) auf der Strafrechtslehrertagung in Münster geäußerte Kritik ansprach: nämlich weder den E 1962 noch den AE Gesetz werden zu lassen, sondern es bei den Vorschriften des geltenden Allgemeinen Teils einfach zu belassen (1735 ff.). Es sei richtig, dass in diesem Bereich beim gegenwärtigen Stand von Lehre und Rechtsprechung eine Reform am wenigstens dringlich sei, zumal die vorgeschlagenen Definitionen von Täter- und Mittäterschaft sicherlich neue Streitfragen darstellen würden, da manche Probleme (wie z.B. Teilnahme nur an vorsätzlicher Haupttat) noch nicht zur Entscheidung reif seien; es sei auch zuzugeben, dass beide Entwürfe zu weit gegangen und einer gründlichen “Ausforstung” bedürften. Doch ergebe eine Abwägung aller Argumente, dass eine Reform - bei der gebotenen Beschränkung - durchzuführen sei. Diese These wurde einstimmig angenommen (1737). Mit allgemeiner Zustimmung wurde dann allerdings sein Vorschlag zur Kenntnis genommen, die Vorschriften der §§ 29 bis 36 E 1962 in den neuen Entwurf aufzunehmen (1743). Nur die Bestimmung des § 32 (Irrtum über den Tätervorsatz) wurde zurückgestellt, MinDir Dreher um einen Vorschlag gebeten. Am 30. November 1967 wurde eine Formulierungshilfe vorgelegt, die in der 91. Sitzung am 14. Dezember diskutiert wurde. Sturm trat für eine ausdrückliche Täterregelung ein: nicht so sehr aus rechtsstaatlichen Gründen - da sich die mittelbare Täterschaft den Tatbeständen des BT selbst entnehmen ließe, allerdings nicht unmittelbar, sondern eben mittelbar -, auch nicht aus ästhetischen Gründen (einer lehrbuchartigen Komplettierung), aber deshalb, um der Rechtsprechung einen Hinweis zu geben, dass derjenige - der aus freien Stücken und ohne mehr als sozialüblich von einem anderen abhängig zu sein alle Tatbestandsmerkmale selbst ausführe - Täter und nicht Teilnehmer sei; es sei entscheidend, ob man es für richtig und zweckmäßig halte, der Rechtsprechung - die vielleicht etwas zu weitgehend Beihilfe statt Mittäterschaft angenommen habe - einen “Fingerzeig” zu geben, in Zukunft die äußere Tatbeteiligung des einzelnen mehr zu berücksichtigen (1823 f.). Sturm erwähnte RGSt 74, 84 (Badewannenfall), BGHSt 19, 87 (Stachynskij) und die Rechtsprechung in den NS-Fällen, die nach der vorgeschlagenen Täterdefinition wohl nicht mehr so entschieden werden könnten. Doch müsse gesehen werden, dass auch die neue Formulierung Ausnahmen zulasse, z.B. für die Fälle, wo jemand innerhalb einer Verbrechensorganisation an untergeordneter Stelle oder auf Befehl gehandelt habe (1823). Dreher vertiefte die Kritik an der “Zauberformel” der subjektiven Theorie, die zu der Entscheidung Stachynskij und in den NS-Fällen geführt habe, mit denen der BGH die Betreffenden - die in Wahrheit Täter gewesen seien - nur mit der Gehilfenstrafe habe sanktionieren wollen (1825). Aber auch Dreher meinte, dass mit der vorgeschlagenen Formulierung das Problem nicht ganz entschieden sei: denn man habe absichtlich das “ausführen” durch das “begehen” ersetzt, somit durch einen normativen Begriff, der der Auslegung fähig sei; man könne sich gewisse extreme Fälle (“ganz seltene Ausnahmefälle”) vorstellen, wo jemand alle Tatbestandsmerkmale verwirkliche, aber doch nur Gehilfe sei (etwa ein Erschießungskommando, bei dem ein Vorgesetzter fünf Mann befehle, einen Menschen zu erschießen, was diese in der Zwangssituation auch täten: die fünf Mann hätten nicht die volle Herrschaft über die Tat und seien nicht die zentralen Figuren des Tathergangs, sondern nur Werkzeuge, weshalb sie als Gehilfen bestraft werden könnten) (1825, 1826). Auch Sturm hatte dieses “begehen” angesprochen, diese Änderung aber - wie die Begründungen bisher - damit erklärt, daß klargestellt werden sollte, dass der Mittäter kein Tatbestandsmerkmal in eigener Person zu verwirklichen brauche, sondern sich auch nur an einer Vorbereitungshandlung beteiligt haben könne, sofern nur das Wesentliche der Mittäterschaft gewahrt sei, dass nämlich sich die Mittäter zur gemeinschaftlichen Tatbegehung verbunden hätten und jeder seinen Tatbeitrag als Teil der Gesamttat leiste (1824). Der Sonderausschuß nahm in einer Grundsatzabstimmung (bei nur 1 Gegenstimme) die Fassung des § 29 E 1962 an, der heute als § 25 gilt. Einstimmig wurde sodann nach kurzer Diskussion das Erfordernis der vorsätzlichen Haupttat bejaht (1828), dann auch die vom E 1962 vorgeschlagene Gleichstellung der Bestrafung von Anstifter und Täter befürwortet (1829). Zwar sei die Argumentation für die fakultative Strafmilderung korrekt: der Anstifter beteilige sich nicht an der Ausführung und stehe daher dem Tatgeschehen ferner als der Täter, zudem könne der Strafgrund der Anstiftung im System der limitierten Akzessorietät nicht in der Korrumpierung (Schuldverstrickung) des Täters gesehen werden; doch werde das Minus an der Ausführung aufgewogen durch das Plus, dass der Anstifter den Anstoß zur Tat gegeben habe (1828). Ebenso einstimmig wurde die entsprechende Formulierung der Beihilfe angenommen (1829). Sodann wurde der Vorschlag der Formulierungshilfe, § 32 (Irrtum über den Tätervorsatz) ersatzlos zu streichen, einstimmig angenommen (1829). Die Begründung dafür war allerdings unverständlich und völlig unzureichend. Sturm brachte ein Beispiel - Jemand überredet einen anderen, Diebesgut anzukaufen, in der irrigen Meinung, dass dieser Bescheid über die Herkunft der Sache wisse - und fügte hinzu, dass die Entscheidung solcher Fälle in der Lehre heftig umstritten sei, dass das Problem aber in der Praxis nur eine untergeordnete Rolle spiele; “da der Entwurf 1962 mit § 32 doch wohl zu sehr ins Detail gegangen sei, werde die Streichung dieser Vorschrift empfohlen.” Nicht angesprochen wurde damit allerdings, dass - wie die Stellungnahme der Verfasser des AE zu dieser Fassung des Sonderausschusses (in der 2. Auflage) zu recht erkannte - diese Streichung eine definitive legislatorische Abkehr von der in der Rechtsprechung seit Jahrzehnten praktizierten subjektiven Teilnahmetheorie bedeute (205). Schließlich ist noch anzumerken, dass der Sonderausschuß in dieser 91. Sitzung auch § 34 § 1962 bzw. § 31 AE einstimmig beschloß, mit dem - nach der früheren Begründung nicht tragfähigen - Hinweis, dass diese Bestimmung den Grundsatz der limitierten Akzessorietät der Teilnahme begründe (1830). - In der 92. Sitzung (am 18.Januar 1968) wurde die Bestimmung des § 13 bezüglich des unechten Unterlassungsdeliktes diskutiert. MinRat Sturm schlug eine Abänderung des E 1962 vor, nämlich: wie im Alternativ-Entwurf die Worte “Täter oder Teilnehmer” zu streichen. Denn ob der Unterlassende als Täter oder Teilnehmer zu bestrafen sei, hänge von den Umständen des Einzelfalles ab. Zudem werde - unter Hinweis auf die Lehrmeinungen von Grünwald, Armin Kaufmann und Welzel - auf diese Weise ein Eingriff in die dogmatische Streitfrage - ob es beim Unterlassen überhaupt eine solche Unterscheidung gebe - vermieden, was auch bedeute, daß die eine solche Unterscheidung bejahende Rechtsprechung weiterhin möglich sei (1864 f.). Die neue Formulierung wurde schließlich angenommen (vgl. BT-Drs. V/4095, 8).

 

45 In der Formulierungshilfe des BJM vom 27. Februar 1969 zum Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Reform des Strafgesetzbuches (1. StrRG) findet sich bereits die Fassung - auch mit der §§-Numerierung -, die dann - vor allem als Inhalt des 2. StrRG vom 4.7.1969 (vgl. Roxin AT § 4 Rn.25) - seit 1.1.1975 geltendes Recht darstellt (zur Geschichte der Verzögerungen vgl. Holtz Entscheidungsprozeß 95 f.).

 

IV. Die Regelung in der DDR

 

46 Rechtsgeschichte ist zum größten Teil auch die Regelung der Beteiligung in den Strafgesetzen der (ehemaligen) DDR, da seit dem 3. 10. 1990 - dem Tag des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland - §§ 25 - 27 StGB 1975 gelten; nur für Alttaten, die vor diesem Zeitpunkt auf dem Gebiet der ehemaligen DDR begangen wurden, gilt die ehemalige Bestimmung des § 22 StGB/ DDR weiter (dazu LK-Roxin Vor § 25 Rn.15; vgl. dazu Rn.61). Diese Bestimmung löste mit dem Inkrafttreten des StGB/ DDR 1968 die nach 1945 bzw. 1949 weiterhin in Geltung gelassene Regelung des (R)StGBs 1871 (dazu Gerats/ Renneberg Lehrbuch 161 ff., 452 ff.) ab (; zur Sondersituation in Thüringen vgl. Rn.4; zum Entstehen des StGB 1968 vgl. Lekschas/ Renneberg Strafrecht 89 ff.; zum Thüringer Gesetz über die Anwendung des Strafgesetzbuches 1945, das am 10.10.1950 vom Thüringer Landtag aufgehoben wurde, vgl. Rn.4). Sie hatte den Wortlaut: “§ 22 Täter und Teilnehmer: (1) Als Täter ist strafrechtlich verantwortlich, wer eine Straftat selbst ausführt oder wer sie durch einen anderen, der für diese Tat selbst nicht verantwortlich ist, ausführen läßt. (2) Als Teilnehmer an einer Straftat ist strafrechtlich verantwortlich, wer 1. vorsätzlich einen anderen zu der begangenen Straftat bestimmt (Anstiftung); 2. gemeinschaftlich mit anderen eine vorsätzliche Straftat ausführt (Mittäterschaft); 3. vorsätzlich einem anderen zu der begangenen Straftat Hilfe leistet oder wer dem Täter nach der Tatausführung vorher zugesagte Hilfe leistet (Beihilfe). (3) ... Jeder Teilnehmer ist ... nach dem Umfang und den Auswirkungen seines Tatbeitrages, seinen Beweggründen sowie danach verantwortlich, in welchem Maße er andere Personen zur Teilnahme veranlaßt hat. (4) Für Beihilfe kann die Strafe nach den Grundsätzen über die außergewöhnliche Strafmilderung herabgesetzt werden. Das gleiche gilt für Mittäterschaft, wenn der Tatbeitrag des Teilnehmers im Verhältnis zur Gesamttat gering ist. Bei geringer Schuld und unbedeutendem Tatbeitrag kann bei einem Teilnehmer von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgesehen werden. (5) ...” Dabei wurde in bezug auf Anstiftung und Beihilfe unter der “begangenen Straftat” nur eine “vorsätzlich begangene Straftat” verstanden, weshalb Teilnahme bei Fahrlässigkeitsdelikten auszuscheiden hatte (Lekschas/ Renneberg Strafrecht 371, 375, 387). Grund für das Nichterwähnen dieser Voraussetzung in § 22 war offensichtlich der gesetzgeberische Wille, Teilnahme auch zu erfolgsqualifizierten Delikten vorzusehen.

 

47 Das von Lekschas und Renneberg im Auftrag der Sektion Rechtswissenschaft der Humboldt-Universität und der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft Potsdam-Babelsberg 1976 herausgegebene Lehrbuch erläuterte diese Bestimmung in folgender Weise (wobei im wesentlichen dem Lehrkommentar 1969 [herausgegeben vom Ministerium für Justiz und der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft] gefolgt wurde) (zum Ganzen und zum Unterschied zum Recht der Bundesrepublik vgl. Bottke Verfolgung 221 ff.; L. Welzel Lehre 503 ff.; allgemein auch Lampe Wiedervereinigung; Schünemann Wiedervereinigung). Unmittelbarer Täter (§ 22 I 1. Alt.) (372) war derjenige, der die tatbestandsmäßige Ausführungshandlung selbst vornahm, sei es, daß er lediglich seine eigenen Körperkräft einsetzte oder sich mechanischer oder anderer Werkzeuge - einschließlich nichthandelnder Menschen (z.B. durch Stoßen, wodurch sie rein mechanisch genutzt wurden) - bediente. Der mittelbare Täter (372 ff.) führte die Straftat nicht selbst aus, sondern machte sich die Tätigkeit eines anderen Menschen - des “Tatmittlers” - zunutze, benutzte somit eine andere Person als “Werkzeug”. Sein Vorsatz mußte den gesamten objektiven, tatbestandsmäßigen Tatablauf umfassen, also auch seine Einwirkung auf den Tatmittler und darauf, sich dieses anderen Menschen als Werkzeug (d.h. als Täter selbst ausscheidend) zu bedienen. Ihm war dann das gesamte, von dem Tatmittler verursachte objektive Verhalten als objektive Seite der Straftat zuzurechnen. Dabei wurden das rechtmäßig, vorsatzlos, schuldlos oder tatbestandslos handelnde Werkzeug genannt. Mittäter (382 ff.) - wegen der deutlichen Abgrenzung von der Einzeltäterschaft als ein Teilnehmer an der “Gesamttat” (vgl. § 22 IV) aufgefaßt, sogar der Intensität nach geringer schwerwiegend als der Anstifter eingeschätzt (392; daher auch mögliche Strafmilderung nach Abs.3) - war derjenige, der aufgrund eines gemeinsamen Vorsatzes, zusammen eine bestimmte Straftat zu begehen, zumindest teilweise die Ausführungshandlung durchführte, weshalb eine Mitwirkung bloß im Vorbereitungsstadium ausscheiden mußte. Doch konnten Mittäter auch in der Weise zusammenwirken, daß jeder von ihnen die Tatbestandsmerkmale der betreffenden Norm voll verwirklichte, aber auch daß einer alle Merkmale des Tatbestandes durch sein Handeln erfüllte, während der andere nur ein Merkmal der objektiven Seite verwirklichte. Mittäterschaft war auch durch gemeinschaftliches Unterlassen oder dadurch möglich, daß einer durch Tun, der andere durch Unterlassen in Erscheinung trat(en). Auch sukzessive Mittäterschaft war möglich. Doch setzte sie - weil nun plötzlich “als eine spezifische Form der Täterschaft” aufgefaßt (386) - voraus, daß auch die personalen Voraussetzungen der Schuld bei jedem Mittäter vorliegen mußten: war die Schuld eines der Ausführenden ausgeschlossen, konnte Mittäterschaft nicht angenommen werden. Der Anstifter (375 ff.) - auch als “geistiger Urheber” bezeichnet (weshalb er mit der Täterstrafe zu belegen war [393]; es sei denn, bei geringer Schuld und unbedeutendem Tatbeitrag (vgl. Abs.4; dazu 393) - weckte durch seine ernsthafte Beeinflussung beim Täter die Tatentscheidung - daher nicht möglich bei jemandem, der zur Begehung des Delikts bereits vor der Aufforderung fest entschlossen war -, führte aber selbst keine unmittelbare Ausführungshandlung durch. Durch Unterlassung war Anstiftung nicht möglich. In der Regel mußte es sich bei dem Angestifteten um eine Person handeln, die für angestiftete Tat selbst als Täter strafrechtlich verantwortlich war (wobei andernfalls mittelbare Täterschaft in Betracht kam). Doch war Voraussetzung der Bestrafung nur das Vorliegen einer objektiv tatbestandsmäßigen rechtswidrigen und vorsätzlichen Haupttat, damit nicht auch das Vorliegen der Schuld des Angestifteten (wie aus § 22 III abgeleitet wurde). Für die Frage des Irrtums des Anstifters galt deshalb: nahm er die Schuldlosigkeit des anderen an, war er mittelbarer Täter; ging er von der schuldhaften Tat des anderen irrtümlich aus (da dieser schuldlos, aber vorsätzlich den objektiven Tatbestand des Deliktes rechtswidrig erfüllte), war Anstiftung anzunehmen. Erforderlich war der Doppelvorsatz des Anstifters. Anstiftung zur Anstiftung wurde als Anstiftung zur Tat bestraft; Anstiftung zur Beihilfe galt als Spezialfall der Beihilfe. Der Gehilfe (387 ff.) nahm im Unterschied zum Mittäter keine Ausführungshandlung vor, sondern unterstützte nur die Tat des Täters (daher [nur fakultativ] mögliche Strafmilderung nach Abs.4), wobei seine Mitwirkung - auch durch pflichtwidriges Unterlassen - kausal sein mußte (was bedeutete: daß der Täter die vom Gehilfen gewährte Unterstützung zumindest teilweise ausnutzen mußte). Bezüglich der Haupttat galt das zur Anstiftung Ausgeführte. Leistete jemand Beistand erst nach Beendigung der Straftat, konnte Beihilfe nur angenommen werden, wenn diese Hilfeleistung vor Durchführung der Straftat zugesagt worden war (was bedeutete, daß diese im Gesetz ausdrücklich aufgefaßte zweite Form der Beihilfe ohnehin als intellektuelle Beihilfe strafbar war [vgl. 389]); Grund für diese Regelung war die klare Abgrenzungsmöglichkeit zur Begünstigung (§ 233). Beihilfe zur Anstiftung bzw. zur Beihilfe galt als Beihilfe zur Tat. Schließlich ist die Lösung der Konkurrenzfrage zu nennen (391 f.): grundsätzlich sollte nur die intensivste Beteiligungsform angerechnet werden, weshalb die Anstiftung Mittäterschaft und Beihilfe und die Mittäterschaft die Beihilfe konsumierte; doch konnte in dem Fall, daß keine schwerer als die andere zu beurteilen war und jede ihre eigenständige Bedeutung für das Tatgeschehen behielt, nach den Grundsätzen der Bestrafung bei mehrfacher Gesetzesverletzung der Betreffende wegen aller Beteiligungsformen zur Verantwortung gezogen werden; und umgekehrt konnte die Mittäterschaft, selbst die Beihilfe die Anstiftung konsumieren, wenn diese im konkreten Fall die schwerste Teilnahmeform darstellte. - Hinzuweisen ist, daß das 1988 erschienene Lehrbuch (unter der Gesamtredaktion von Lekschas und Buchholz) in dem Abschnitt über “die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Beteiligung an der Begehung einer Straftat” (305-308) nach einigen knappen Bemerkungen zur Regelung des § 22 auf “neue Formen des Zusammenschlusses zur Verbrechensbegehung” eingegangen wurde. Genannt wurden imperialistische, gegen die Menschheit gerichtete “Systemverbrechen”, konterrevolutionäre Verbrechen gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung durch (halb)offizielle imperialistische Organisationen und Verbrechen von Menschenhändlerorganisationen, die entweder als Unternehmensdelikte oder Organisationsverbrechen ausgestaltet waren oder deren Tatbestand (wie etwa in § 105 I) darauf abstellte, ob jemand “in sonstiger Weise an der Tat mitwirkt”.

 

48 Für die Fälle, in denen das StGB/ DDR noch anwendbar ist (vgl. oben Rn.59), ergibt sich bei der Frage nach dem milderen Gesetz die Notwendigkeit, die abweichende Strafbarkeit der Mittäterschaft - die (wie gezeigt) als (gegenüber der Anstiftung grundsätzlich mildere) Form der Teilnahme an der Gesamttat aufgefaßt wurde - zu berücksichtigen. Entgegen § 25 II StGB 1975 läßt § 22 IV eine fakultative außerordentliche Strafmilderung zu, es kann sogar von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit überhaupt abgesehen werden. Daher kann es selbst dann, wenn der in Frage kommende Tatbestand des bundesdeutschen Rechts eine geringere Strafdrohung ausspricht als der zur Tatzeit erfüllte des StGB/ DDR, zu einer Anwendung des letzteren kommen, wenn nämlich im konkreten Fall eine mildere Bestrafung angezeigt ist (vgl. LK-Roxin § 25 Rn.224). Allerdings muß bei Anwendung des § 22 nicht auf die Konkretisierung durch Lehrbuch und Rechtsprechung in der DDR abgestellt werden. Denn eine Änderung der Rechtsprechung unterfällt nicht dem Rückwirkungsverbot (vgl. LK-Roxin § 25 Rn.224 bezüglich des Erfordernisses der teilweisen Ausführungshandlung bei Mittäterschaft). Zum Problem der Anwendung der Bestimmung über mittelbare Täterschaft vgl. Bottke Verfolgung 223 ff. (anders BGH xxx).

 

V. Exkurs: Übernationales Recht

 

49 Nur als Exkurs - weil zwar zur Geschichte, aber nicht der vergangenen angehörend - sei auf die Versuche einer rechtlichen Regelung und Bestimmung der Beteiligungsformen im übernationalen Recht hingewiesen.

 

V.1. Europäisches Strafrecht:

50 Zunächst sind die Versuche für das europäische Strafrecht zu nennen (vgl. dazu Bosch Organisationsverschulden 515 ff.; Hamdorf Beteiligungsmodelle 371 ff.; Jescheck/ Weigend § 61 VIII; Roxin § 25 Rn.6; Tiedemann FS-Nishihara 496 ff.; FS-Lenckner 416 ff.; Tsolka Teil). Eine Vereinheitlichung scheint möglich, da die meisten einzelstaatlichen Rechtsordnungen - abgesehen von den Einheitstäterkonzeptionen in Österreich, Italien, Dänemark, Schweden und Norwegen (mit jeweils unterschiedlichen Konsequenzen) (dazu Hamdorf Beteiligungsmodelle) - eine Differenzierung nach dem Gewicht der Tatbeiträge - wie sie bereits in der italienischen Lehre des späten Mittelalters ausgearbeitet worden war - nicht nur für die Strafzumessung, sondern bereits als dogmatischen Ausgangspunkt vorsehen (vgl. den Überblick bei Stein H.L. Regelungen). Als “Gemeingut europäischen Strafrechts” bezeichnet es Tiedemann ZStW 1998, 510, daß die Unterscheidung von Alleintäter, Mittäter und mittelbarem Täter jedenfalls in den letzteren Fällen das teilweise Fehlen eigener Tatbestandserfüllung durch Zurechnungserwägungen ersetzt. Die beiden wichtigsten Fragen des Differenzierungssystems - der Grad der Akzessorietät der Teilnahme und die Teilnahme am Sonderdelikt - sind dagegen durchwegs umstritten; Tiedemann spricht von “nicht selten ... praktisch nur schwer nachvollziehbaren theoretischen Unterscheidungen” (FS-Nishihara 499). Teilweise wird auch bei Sonderdelikten für den Extraneus Täterschaft zugelassen; auch die verbreitete Zulassung von Teilnahme an fahrlässiger Haupttat zwingt - so Tiedemann weiter - zu der Annahme, daß im europäischen Strafrecht ein normativer Täterbegriff gilt, wobei die mittelbare Täterschaft auf einem Zurechnungsprinzip - dem der Herrschaft - beruht, das bei Beteiligung mehrerer an einer Tat an sich erst die vertikale (hierarchische) Beteiligungsstufe betrifft. Dieser Zurechnungsstufe kommt heute angesichts der Unternehmens- und Regierungskriminalität besonders aktuelle Bedeutung zu. Die für das deutsche Strafrecht oft vorgeschlagene Konstruktion einer unechten Unterlassungstäterschaft des Rangoberen findet in England und Frankreich mit den eigenständigen (ungeschriebenen) Figuren einer Strafbarkeit kraft “vicarious liability” bzw. “du fait d`autrui” ihre Entsprechung; für Tiedemann sind sie bereits Bestandteile gefestigten Richterrechts (FS-Nishihara 501). Eine eigene Strafbarkeit juristischer Personen wird zunehmend gefordert.

 

51 In diesem Sinne regelt das Übereinkommen zum Schutz der finanziellen Interessen der EU vom Juli 1995 die Beteiligung mehrerer am EG-Betrug (Art.2 I, 3) und geht dabei von der Unterscheidung von Tätern, Anstiftern und Gehilfen aus (vgl. Hamdorf Beteiligungsmodelle 430 f., der auch auf die Geldwäscherichtlinie vom 28.6.1991 hinweist [433 f.]). Das 2. Protokoll zu diesem Übereinkommen von 1997 sieht in Art.3 ausdrücklich eine “Verantwortlichkeit von juristischen Personen” für die hier geregelten Taten vor; dabei soll nach Abs.3 die Verantwortlichkeit der juristischen Person die strafrechtliche Verfolgung natürlicher Personen als Täter, Anstifter oder Gehilfe nicht ausschließen. Die unterschiedliche Formulierung (“Verantwortlichkeit” - “Strafbarkeit”) macht deutlich, daß es für solche erforderliche Maßnahmen als ausreichend angesehen wird, wenn eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit vorgesehen ist (wie es nach deutschem OWiG für juristische Personen bereits zugelassen ist). Das darauf aufbauende, im Auftrag des Europäischen Parlaments erarbeitete “Corpus Juris für einen einheitlichen Rechtsraum zum Schutz der Finanzinteressen der EG” (veröffentlicht 1997) - dessen Vorschläge in den einzelnen Staaten der EG diskutiert und zu einem einheitlichen Allgemeinen Teil eines gesamteuropäischen Strafrechts werden sollten, der die einzelstaatlichen Regelungen allmählich aufheben sollte (weshalb die Französin M. Delmas-Marty in diesen Vorschlägen ein “trojanisches Pferd” für die Entwicklung des europäischen Strafrechts sieht) (zitiert von U. Sieber in: dies. Corpus 9) - gab in diesem (seinem ersten) Entwurf eine Definition dieser Beteiligungsformen in Art.12 unter der Überschrift “Individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit”: “Für eine Straftat ... kann eine Person als Täter, Anstifter oder Gehilfe verantwortlich sein: a) Täter ist, wer die strafbare Handlung ausführt oder als Mittäter an der Tatbegehung mitwirkt; b) Anstifter ist, wer durch Geschenk, Versprechen, Drohung, Befehl, Mißbrauch der Amts- oder Befehlsgewalt eine Straftat hervorruft oder zu ihrer Durchführung Anweisungen gibt; c) Gehilfe ist, wer wissentlich durch Hilfeleistung die Vorbereitung oder Durchführung der Straftat erleichtert”. In den Erläuterungen wurde angegeben, daß die Definitionen in erster Linie dem deutschen und französischen Strafgesetzbuch folgen würden und daß auch unter die Täterbestimmung auch der mittelbare Täter zu verstehen sei; “aus Gründen der Vereinfachung haben wir auf eine Unterscheidung zwischen `notwendigeń und `einfacheń Beteiligten verzichtet, zumal für das Strafmaß die Form der Beteiligung erheblich ist”; nämlich (nach Art.15): “Die Strafzumessung ... muß unter Berücksichtigung der Schwere der Tat, des individuellen Verschuldens des Täters und der Form seiner Beteiligung an der Tat vorgenommen werden” (im Original nicht kursiv). Art.13 I sah - so die Überschrift - die “strafrechtliche Verantwortlichkeit des Leiters eines Unternehmens” vor: “Wird eine der Straftaten ... zugunsten eines Unternehmens von einer weisungsabhängigen Person begangen, so sind auch die Unternehmensleiter oder jede andere Person, der die Entscheidungs- oder Kontrollgewalt im Unternehmen obliegt, strafrechtlich verantwortlich, wenn sie in Kenntnis der Umstände Anweisungen gegeben, Straftaten geschehen lassen oder notwendige Kontrollen unterlassen haben”. Art 13 II Art.14 anerkannte die “strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen” und solcher Vereinigungen, die nach dem Gesetz Rechtssubjekt und Inhaber eigener Vermögenswerte sein können (wie z.B. Konzerne) als Täter, Anstifter oder Gehilfe, wenn die Straftat zu ihren Gunsten von einem ihrer Organe, Vertreter oder jeder anderen Person begangen werde, die im Namen der juristischen Person oder Vereinigung handele oder eine gesetzliche oder faktische Entscheidungskompetenz innehabe. Die Erläuterungen betonten, daß auch für diese juristische Personen/ Vereinigungen das Schuldprinzip (z.B. hinsichtlich Vorsatz [Art.10] und Irrtum [Art.11]) gelte: der Schuldvorwurf müsse ihnen “direkt zugerechnet werden” (40). Hinzuweisen ist noch auf die vorgesehenen Strafen für juristische Personen nach Art.9: die gerichtliche Überwachung für eine Dauer von bis zu fünf Jahren, eine Geldstrafe, die Einziehung der Instrumente, der Produkte und des Gewinns aus der Straftat, die Bekanntmachung der Verurteilung; und zusätzlich u.U. der Ausschluß von zukünftigen Subventionsgewährungen oder Vertragsabschlüssen.

 

52 Auf einem Kolloquium im März 1999 in Trier wurde dieser Entwurf diskutiert (vgl. Huber Corpus; kritisch z.B. auch Köhler FS-Mangakis 757 ff.; zu Art.12 vgl. Weigend FS-Roxin 1394 f.). Für U. Neumann war die Differenz zum Einheitstätersystem weniger groß, als es auf den ersten Blick erscheinen könnte (worin ihm im übrigen der Österreicher F. Höpfel recht gab [86, 88]); denn der auf der Tatbestandsseite erzielte Gewinn an Strafgerechtigkeit werde auf der Sanktionenseite wieder verspielt, da für alle Beteiligungsformen ein identischer Strafrahmen vorgesehen sei und die Art der Beteiligten nur als nicht näher spezifizierter Strafzumessungsfaktor gewertet werde. Zudem sei die Regelung der Beteiligungsformen nicht ausreichend. Zwar sei der Vorschlag eines numerus clausus der Anstiftungsmittel zu begrüßen, da dies zu einer Einschränkung der in den nationalen Rechtsordnungen teilweise uferlos ausgeweiteten Anstifterhaftung führen könnte; doch sei die Erregung eines Irrtums beim Täter nicht als mögliche Anstifterhandlung einbezogen, was die Frage aufwerfe, ob die Verfasser für diesen Fall an mittelbare Täterschaft gedacht hätten (was sich freilich dem Text nicht entnehmen ließe). Doch seien wohl für die nähere Auslegung der Begriffe des Art.12 die nationalen Rechtsordnungen zuständig; wobei allerdings offen bleibe, ob Anstiftung und Beihilfe auf vorsätzlich begangene Haupttaten beschränkt sein sollten oder ob auch die Möglichkeit einer Teilnahme an einer fahrlässigen (zumindest: leichtfertigen) Haupttat anerkannt werden solle (75 f.) (was - wie anzumerken ist - deshalb wichtig ist, weil gemäß Art.1 I der “Betrug zum Nachteil des Gemeinschaftshaushalts” vorsätzlich und leichtfertig begangen werden kann). In der Regelung des Art.13 sah Neumann hinsichtlich der ersten Alternative einen Sonderfall mittelbarer oder unmittelbarer Täterschaft - der berechtigt sei, weil das Minus an faktischer Beherrschung des Tatgeschehens auf seiten des Vorgesetzten durch ein Plus an Zuständigkeit kompensiert werde - bzw. hinsichtlich der zweiten Alternative einen Fall von Täterschaft, mit dem die dogmatische Gegenüberstellung von Tun und Unterlassen zugunsten einer normativ an Verantwortungsbereichen orientierten Perspektive aufgegeben werde (vergleichbar § 340 I StGB); die dritte Alternative sei eigentlich überflüssig; es müsse in der näheren Interpretation sorgfältig geprüft werden, ob nicht mit der Anerkennung eines “Organisationsverschuldens” die Grenze zwischen zivilrechtlicher Haftung und strafrechtlicher Verantwortlichkeit verwischt würden (77 f.). Fundamentale Kritik äußerte Neumann (daher) an Art.14: offensichtlich entscheide sich der Entwurf für eine Verantwortlichkeit der juristischen Person/ Vereinigung für eigene Straftaten, was zur Konsequenz habe, daß der Schuldvorwurf direkt gegen diese gerichtet werden müsse; dies sei durchaus möglich, wenn entsprechende Zurechnungsregeln existieren würden (die freilich durch das Abstellen auf faktische Entscheidungskompetenz sehr weit gezogen seien), aber nur um den Preis, daß darauf verzichtet werde, mit dem Schuldvorwurf einen sozialethischen Tadel zu verbinden, da sich sozialethische Normen nur an natürliche Personen richten könnten. Diese “Entmoralisierung des strafrechtlichen Schuldvorwurfs verleiht der Strafsanktion den Charakter eines Preises, der für ein bestimmtes Fehlverhalten zu entrichten ist und der bei der Gesamtkalkulation berücksichtigt werden muß. Es ist kaum zu erwarten, daß sich eine entsprechende Uminterpretation des Strafrechts auf den Bereich des Wirtschaftsrechts beschränken lassen würde. ... [Es] erscheint mir zweifelhaft, ob aus der Einführung einer strafrechtlichen Unternehmenshaftung auch nur kurzfristig nennenswerte kriminalpolitische Vorteile resultieren würden. Die Erwartung der Effizienz von Strafdrohungen wird in dem Entwurf eher vorausgesetzt als begründet. Hinsichtlich ihrer abschreckenden Wirkung scheinen mir Geldstrafen im Vergleich zu entsprechenden Geldbußen [wie es das europäische, aber auch das deutsche Ordnungswidrigkeitenrecht bereits vorsieht, WS] nicht überlegen zu sein. ... Wir sollten ... der Versuchung entgehen, um unsicherer und schwer kalkulierbarer kriminalpolitischer Effekte willen Prinzipien preiszugeben, die für die langfristige Wirkung des Strafrechts im Sinne einer positiven Generalprävention bedeutsam sind” (81). Die Griechin M. Kaiafa-Gbandi lehnte noch schroffer die vorgeschlagene Strafbarkeit der juristischen Personen ab (105 ff.): es sei angemessen, für die widerrechtliche Tätigkeit der juristischen Personen/ Vereinigungen den Weg der verwaltungsrechtlichen Sanktionen vorzuziehen. Auch die Regelung des Art.12 unterzog sie einer scharfen Kritik, indem sie darin den Verlust an Rechtsstaatlichkeit sah. Allgemein rügte auch Th. Weigend in der Diskussion den Verzicht auf eine theoretische Grundlegung am Beispiel des Schuldprinzips und den Weg zu einer reinen “Zweckorientiertung” (vgl. 125). K.Tiedemann - einer der Verfasser dieses Corpus - lehnte dagegen diese Kritik ab. Es sei zwar einzuräumen, daß Art.14 wesentliche Fragen offenlasse: so sei nicht geklärt, ob die Schuld der Handelnden der juristischen Person zugerechnet werde oder ob es um ein eigenes (Organisations-) Verschulden des Verbandes gehe (65). Doch sei die Behauptung, daß eine Strafbarkeit juristischer Personen eine Entkräftung liberaler Grundsätze des Strafrechts bedeute, “nur ideologisch begründet”; zudem sei diese Regelung erforderlich, weil die abschreckend-stigmatisierende Wirkung der Geldstrafe und des öffentlichen Strafverfahrens ungemein größer sei als die der Geldbuße und des nichtöffentlichen Bußgeldverfahrens (124); außerdem sei die Entwicklung zu dieser Strafbarkeit in der EG schon weit vorgeschritten: elf Mitgliedstaaten hätten sie bereits eingeführt, nur mehr Deutschland, Griechenland, Spanien und Italien seien ablehnend, “die man dann auch als am Ende einer Entwicklung befindlich sehen kann” (123). Doch räumte Tiedemann ein, daß er ursprünglich vorgeschlagen habe, wegen der erwartbaren Widerstände auf eine solche Regelung (nach französischem Vorbild) zu verzichten, dann aber doch von ihrer Notwendigkeit überzeugt worden sei. Auch bezüglich der Definitionen der Beteiligten in Art.12 teilte Tiedemann mit, daß ursprünglich ein Konzept ganz entsprechend dem deutschen Recht (also mit Akzessorietätslösungen usw.) beschlossen worden sei, daß dieses aber in der letzten Minute der Endredaktion auf einmal in die französische Version hineingeglitten sei und nunmehr mit Widersprüchen, Lücken und offenen Fragen den Anschein erwecke, hier liege eine Ausweitung der Strafbarkeit vor. Er werde aber alles daransetzen, daß bei der Überarbeitung des Corpus die ursprüngliche Fassung wieder hergestellt werde (126).

 

53 Aufgrund der Stellungnahmen der Experten aller 15 Mitgliedstaaten wurde ein zweiter Entwurf - Corpus Juris 2000 - erstellt. Für die Frage von Täterschaft und Teilnahme bestimmten nun ein (neuer) Art.11 und 12 folgendes (vgl. Hamdorf Beteiligungsmodelle 384, 425 f; dazu auch Delmas-Marty/ Vervaele Implementation): “Article 11 Individual criminal liability: Any Person may be held responsible for the offences defined above ... as a main offender, inciter or accomplice: as a main offender if he commits the offence by himself, jointly or with another person or organisation ... or by means of an innocent agent; as an inciter if he knowingly provokes a natural person or organisation ... to commit an illegal act; as an accomplice of he knowingly helps a natural person or organisation ... to commit the illegal act. The maximum penalty for the accomplice shall not exceed three quarts of the penalties under Article 14.” “Article 12 Criminal liability of the head of business or persons with powers of decision and control within the business: public orders. 1. If one of the offences under Articles 1 to 8 is committed for the benefit of a business by someone acting under the authority of another person who is the head of the business, or who controls it or exercises the power to make decisions within it, that other person is also criminally liable if he knowingly allowed the offence to be committed. 2. The same applies to any public officer who knowingly allows an offence under Articles 1 to 8 to be committed by a person under him. 3. If one of the offences under Articles 1 to 8 is committed by someone acting under the authority of another person who is the head of a business, or who controls it or exercises the power to make decisions within it, that other person is also criminally liable if he failed to exercise necessary supervision, and his failure facilitated the comission of the offence.”

 

54 Der Bearbeiter des dogmatischen Teils jenes Corpus - K. Tiedemann - entwickelte im Rahmen eines Forschungsprojekts (unter Mitarbeit von J. Vogel) für das europäische Wirtschaftsstrafrecht (auch) einen eigenen AT als Vorschlag für ein Europäisches Modellstrafgesetzbuch - das auch unter dem Titel “Euro(pa)delikte” firmiert -, der im Oktober 2000 in Freiburg diskutiert wurde (vgl. Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht 3 ff.). Der Entwurf enthielt auch Bestimmungen für Täterschaft und Teilnahme, die bezüglich der Unterlassungsdelikte unter Mitarbeit von Schünemann (Regelung 103 ff.; dazu auch Rn.xxx) erarbeitet wurden (zu früheren Fassungen vgl. Tiedemann FS-Nishihara 509 ff.; Hamdorf Beteiligungsmodelle 388 ff.); er verzichtete aber auf eine Regelung betreffend die Strafbarkeit von juristischen Personen (vgl. Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht 17). Die vorgeschlagene Beteiligtenregelung lautete: “Art.11: Selbständige Strafbarkeit des Beteiligten/ keine Haftung für fremde Schuld. Sind an der Straftat mehrere beteiligt, so wird jeder Beteiligte ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nach seiner Schuld bestraft. Art.12: Beteiligung an der Straftat: An der Straftat beteiligt sind der Täter, der Anstifter und der Gehilfe. Art.13: Täterschaft: (1) Als Täter bestraft wird, wer die Tat durch eigenes Verhalten allein oder gemeinschaftlich mit anderen (Abs.2) begeht. Täter ist auch, wer sich zur Begehung der Tat eines anderen als Instrument bedient (mittelbare Täterschaft, Artikel 14). Ferner ist Täter, wer für fremdes Verhalten, durch das die Tat ganz oder teilweise begangen wird, einzustehen hat (Artikel 15), wenn in seiner Person die übrigen Voraussetzungen der Strafbarkeit vorliegen. (2) Mittäter ist, wer die Tat zusammen mit einem anderen Täter aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses begeht. (3) Begründen besondere persönliche Eigenschaften oder Verhältnisse die Strafbarkeit, so kann Täter nur sein, bei wem diese Merkmale vorliegen oder wer die Funktionen ausübt, welche diese Merkmale beschreiben. Vertretungsberechtigte Organe einer juristischen Person oder einer Personengesellschaft sowie Unternehmensleiter oder Personen mit Entscheidungs- oder Kontrollbefugnissen in einem Unternehmen können als Täter auch dann bestraft werden, wenn die besonderen persönlichen Merkmale nur bei der juristischen Person, der Personengesellschaft oder dem Unternehmen vorliegen und die Organe, Leiter oder Entscheidungs- sowie Kontrollbefugten die Ausübung der Funktionen tatsächlich übernommen haben. Absatz 1 bleibt unberührt Art.14: Mittelbare Täterschaft: Das Verhalten eines anderen ist dem Täter zuzurechnen, wenn er dieses Verhalten vorsätzlich veranlaßt und dabei in Kenntnis des Umstandes handelt, daß der andere für die Tat infolge eines Irrtums oder eines nur in seiner Person gegebenen Rechtfertigungs-, Schuldausschließungs- oder Schuldminderungsgrundes nicht oder nicht voll verantwortlich ist. Art.15: Verantwortlichkeit für fremdes Verhalten: (1) Als Täter bestraft wird auch, wer in den Fällen des Absatzes 2 wegen seiner Herrschaft über einen anderen rechtlich dafür einzustehen hat, daß ein anderer keine rechtswidrige Tat begeht, sofern er von der Tat des anderen Kenntnis hatte und ihre Begehung bei ordnungsgemäßer Aufsicht hätte verhindern oder wesentlich erschweren können. Die Strafe ist im letzteren Fall um ein Viertel zu mindern. (2) Nach Absatz 1 sind verantwortlich: a) Mitglieder einer Regierung, Amtsträger und Soldaten für Taten, die von Weisungsabhängigen, Untergebenen oder Befehlsempfängern begangen werden, sofern das Handeln des Untergebenen oder des zu beaufsichtigenden Amtsträgers oder Soldaten die zur Aufsicht gehörenden Geschäfte oder Tätigkeiten betrifft, b) Inhaber oder Leiter eines Betriebes oder Unternehmens sowie Personen mit Entscheidungs- oder Kontrollbefugnissen in einem Betrieb oder Unternehmen für Taten, die von den Untergebenen begangen werden und zum Geschäftsbereich des Betriebes oder Unternehmens gehören. (3) Es steht den Mitgliedstaaten frei, über die Fälle des Absatzes 2 hinaus auch denjenigen zum Täter (durch Unterlassen) zu erklären, der Herrschaft über einen anderen oder Obhut über das Opfer und daher rechtlich dafür einzustehen hat, daß ein anderer nicht den Erfolg einer rechtswidrigen Tat herbeiführt. In diesen Fällen kann die Strafe um ein Viertel gemindert werden. (4) Die Delegation der Verantwortlichkeit befreit von Strafbarkeit nur, wenn sich die Delegation auf bestimmte Teilbereiche der Tätigkeit bezieht und sichergestellt ist, daß die Delegatare die ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse tatsächlich wahrnehmen können. Die Verantwortlichkeit für die Auswahl, Aufsicht und Kontrolle sowie die allgemeine Verantwortlichkeit für die Organisation bleibt unberührt. Art.16: Anstiftung und Beihilfe: (1) Anstifter ist, wer einen anderen vorsätzlich zur Begehung einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Tat bestimmt, ohne mittelbarer Täter (Artikel 14) oder für fremdes Verhalten verantwortlich (Artikel 15) zu sein. Der Anstifter wird wie der Täter bestraft. (2) Gehilfe ist, wer einem anderen vorsätzlich durch einen untergeordneten Tatbeitrag Hilfe zu einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Tat leistet, ohne Mittäter (Artikel 13 Abs.2) oder für fremdes Verhalten verantwortlich (Artikel 15) zu sein. Die Strafe für den Gehilfen ist zu mildern....” Dieser Vorschlag wurde von Weigend dahingehend kritisiert, daß die mittelbare Täterschaft zu eng gefaßt und ihr Verhältnis zur Verantwortlichkeit für fremdes Verhalten (Art.15) nicht geklärt sei (Bemerkungen 417 ff.).

 

In einer von Tiedemann betreuten Dissertation legte H. L. Stein aufgrund der Untersuchung der Beteiligtenregelungen von Deutschland, Frankreich, Spanien, Österreich und England einen Modellvorschlag für eine europäische Regelung vor (Regelungen 376 ff.), die sich an diesen Tiedemann -Vorschlag anlehnte. Jede Täterform sollte ihren eigenen Artikel erhalten. Die Bestimmung des “Alleintäters” wurde übernommen. “Mittäter” sollte sein, “wer die Tat arbeitsteilig zusammen mit einem oder mehreren anderen Tätern aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses begeht”. Dazu kam die Bestimmung des “mittelbaren Täters”: “Täter ist auch, wer sich zur Begehung einer Straftat eines anderen derart als Instrument bedient, daß er dessen Verhalten vorsätzlich veranlaßt und dabei in Ausnützung des Umstandes handelt, daß der andere für die Tat infolge eines Irrtums, mangelnder Täterqualität oder eines nur in seiner Person gegebenen Rechtfertigungs-, Schuldausschließungsgrunds-, oder Schuldminderungsgrundes für die Tat nicht oder nicht voll verantwortlich ist”. Statt der Bestimmung über “Verantwortlichkeit für fremdes Verhalten” schlug sie eine neue Täterform vor, die sie “organisationelle Täterschaft” nannte, die aber bereits im Wortlaut von den anderen abwich (Heraushebung nicht im Original): “(1) Als Täter bestraft wird auch”; inhaltlich übernahm sie die Formulierung von Tiedemann, ergänzte sie aber durch den Hinweis auf das Zumutbarkeitserfordernis. Die Regelung von Anstiftung und Beihilfe wurde übernommen; doch sollte die Strafmilderung für letztere nur fakultativ sein. Zusätzlich wurde vorgeschlagen: “Die Anstiftung zur Beihilfe sowie die Beihilfe zur Anstiftung oder zur Beihilfe sind als Beihilfe zur Haupttat zu bestrafen. Die Anstiftung zur Anstiftung ist als mittelbare Anstiftung zur Haupttat zu bestrafen.” Der Entwurf sah auch Regelungen der Beteiligung am Sonderdelikt und der Stellvertreterhaftung vor. Schließlich sollte auch die “Beteiligung am Fahrlässigkeitsdelikt” erfaßt werden: “Wird die Straftat fahrlässig begangen, so ist jeder Beteiligte, der zur Verwirklichung des Erfolges beiträgt, als Täter anzusehen, sofern die Voraussetzungen der Strafbarkeit im übrigen vorliegen.”

 

V.2. Völkerstrafrecht:

55 In seinen “Ansätzen einer Dogmatisierung” des Allgemeinen Teils des Völkerstrafrechts leitet K. Ambos aus der Analyse der völkerstrafrechtlichen Rechtsprechung (seit den Nürnberger Prozessen) und der Kodifikationsbemühungen auch die Grundzüge einer Beteiligtenlehre ab (Teil 543 ff.; vgl. auch Hamdorf 393 ff.; Marxen, Beteiligung 220 ff.; Triffterer Gewalt 272 ff.; FS-Lüderssen 437 ff.; Werle JZ 2000, 756 f.). Denn zunehmend sei an die Stelle des früheren formalen Einheitstätersystems ein differenziertes Beteiligtensystem getreten, das jedenfalls in vielem der Tatherrschaftslehre folgend zwischen Tätern und Teilnehmern unterscheide. Unmittelbarer Täter sei dabei derjenige, der die Tat als Einzelperson selbst und eigenhändig begehe (direct commission). Ambos zieht dafür die “Handlungsherrschaft” im Sinne der Tatherrschaftslehre Roxins heran (547). Mittelbare Täterschaft sei allgemein anerkannt, allerdings im wesentlichen nur in der Form der Benutzung eines organisatorischen Machtapparats (570, 590 ff.: vgl. auch Vest, Genozid 240 ff, der diesbezüglich im Rahmen einer Gesamttat-Konzeption ein “dreistufiges Modell der Täterschaft” [Führungs-, Organisations-, Ausführungsebene] vorschlägt) und der Nötigungsherrschaft (574 ff.), wobei als Sonderfall der Befehlsnotstand angesehen werde (581 ff.). Mittäterschaft werde durch die Formulierung “jointly with another” bestimmt; Grundlage sei der gemeinsame Plan zu arbeitsteiligem Vorgehen mit der Folge wechselseitiger Zurechnung. Auch dafür stellt Ambos auf die “funktionale Tatherrschaft” Roxins ab (553), die die Mittäter zu “Mitherren der Gesamttat” mache; vorausgesetzt, daß jeder von ihnen einen wesentlichen bzw. erheblichen Tatbeitrag (u.U. nur im Vorbereitungsstadium) leiste. Der Beihilfetatbestand stelle auf das Kriterium der wesentlichen Auswirkung der Unterstützunghandlung auf die Haupttat ab, doch sei auch subjektiv der Zweck der Erleichterung vorgesehen. Als Grundform des Veranlassens zu Straftaten (“solicits”, “induces”) sei die Anstiftung anerkannt, wobei die Tathandlung des “ordering” strukturell zur mittelbaren Täterschaft gehöre. Auch die Anstiftung sei als akzessorische Teilnahme ausgestaltet. Die Abgrenzung zur Beihilfe gelinge dabei am überzeugendsten durch die Kriterien der Planherrschaft und der Schaffung eines tatbefürwortenden Grundes im Hinblick auf das verletzte oder gefährdete Rechtsgut. Als selbständiges Massengefährdungsdelikt ist nach Ambos die Aufstachelung (“incites”) zu nennen. Darüber hinaus weist er auf die Verantwortlichkeit des Vorgesetzten im Sinne eines echten Unterlassungsdelikts hin (666 ff.). Demjenigen, der als Vorgesetzter einen durch einen Untergebenen bewirkten Verbrechenserfolg nicht verhindere oder wenigstens bestrafe, werde dieser Verbrechenserfolg zugerechnet. - Es ist allerdings anzumerken, daß diese Einschätzung von Ambos nicht von allen Völkerrechtlern geteilt wird. Unter Hinweis vor allem auf die amerikanische Konzeption der “conspiracy” (“Verschwörung”) (vgl. dazu Vest, Genozid 251 ff.) wird die Dominanz eines Einheitstätersystems behauptet (vgl. Hamdorf Beteiligungsmodelle 393 ff.; Heine JZ 2000, 921 ff.; Triffterer Gewalt 350 ff.).

 

56 Hinzuweisen ist auf Art.25 und 28 des Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998 (abgedruckt in: Ambos, Teil 902 ff.; vgl. dazu Ambos NJW 1998, 3743 ff.; ZStW 1999, 186 ff.; Hamdorf Beteiligungsmodelle 393 ff., 428 ff.; Schünemann GA 2003, 312; Triffterer FS-Lüderssen 437 ff.; Vest Genozid 185; Weigend FS-Roxin 1395 ff.; Werle JZ 2001, 891), die als Annäherung an einen “Allgemeinen Teil des Völkerstrafrechts” angesehen werden können (so Werle JZ 2000,758): “Art.25: Individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit: ... (3) In Übereinstimmung mit diesem Statut ist für ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen strafrechtlich verantwortlich und strafbar, wer a) ein solches Verbrechen selbst, gemeinschaftlich mit einem anderen oder durch einen anderen begeht, gleichviel ob der andere strafrechtlich verantwortlich ist; b) die Begehung eines solchen Verbrechens, das tatsächlich vollendet oder versucht wird, anordnet, dazu auffordert oder dazu anstiftet; c) zur Erleichterung eines solchen Verbrechens Beihilfe oder sonstige Unterstützung bei seiner Begehung oder versuchten Begehung leistet, einschließlich der Bereitstellung der Mittel für die Begehung; d) auf sonstige Weise zur Begehung oder versuchten Begehung eines solchen Verbrechens durch eine mit einem gemeinsamen Ziel handelnde Gruppe von Personen beiträgt. Ein derartiger Beitrag muß vorsätzlich sein und entweder i) mit dem Ziel geleistet werden, die kriminelle Tätigkeit oder die strafbare Absicht der Gruppe zu fördern, soweit sich diese auf die Begehung eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens beziehen, oder ii) in Kenntnis des Vorsatzes der Gruppe, das Verbrechen zu begehen, geleistet werden; e) in Bezug auf das Verbrechen des Völkermords andere unmittelbar und öffentlich zur Begehung von Völkermord aufstachelt; ... Art.28: Verantwortlichkeit militärischer Befehlshaber und anderer Vorgesetzter: ...a) Ein militärischer Befehlshaber oder eine tatsächlich als militärischer Befehlshaber handelnde Person ist strafrechtlich verantwortlich für der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen, die von Truppen unter seiner oder ihrer tatsächlichen Befehls- beziehungsweise Führungsgewalt und Kontrolle als Folge seines oder ihres Versäumnisses begangen wurden, eine ordnungsgemäße Kontrolle über diese Truppen auszuüben, wenn i) der betreffende militärische Befehlshaber oder die betreffende Person wußte oder aufgrund der zu der Zeit gegebenen Umstände hätte wissen müssen, daß die Truppen diese Verbrechen begingen oder zu begehen im Begriff waren, und ii) der betreffende militärische Befehlshaber oder die betreffende Person nicht alle in seiner oder ihrer Macht stehenden erforderlichen und angemessenen Maßnahmen ergriff, um ihre Begehung zu verhindern oder zu unterbinden oder die Angelegenheit den zuständigen Behörden zur Untersuchung und Strafverfolgung vorzulegen. b) In bezug auf unter Buchstabe a nicht beschriebene Vorgesetzten- und Untergebenenverhältnisse ist ein Vorgesetzter strafrechtlich verantwortlich für der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen, die von Untergebenen unter seiner tatsächlichen Führungsgewalt und Kontrolle als Folge seines Versäumnisses begangen wurden, eine ordnungsgemäße Kontrolle über diese Untergebenen auszuüben, wenn i) der Vorgesetzte entweder wußte, daß die Untergebenen solche Verbrechen begingen oder zu begehen im Begriff waren, oder eindeutig darauf hinweisende Informationen bewußt außer acht ließ; ii) die Verbrechen Tätigkeiten betrafen, die unter die tatsächliche Verantwortung und Kontrolle des Vorgesetzten fielen, und iii) der Vorgesetzte nicht alle in seiner Macht stehenden erforderlichen und angemessenen Maßnahmen ergriff, um ihre Begehung zu verhindern oder zu unterbinden oder die Angelegenheit den zuständigen Behörden zur Untersuchung und Strafverfolgung vorzulegen.” Zur Umsetzung durch das VStGB vgl. Rn.xxx. - Als ein weiteres Beispiel unter vielen sei die UN-Antifolterkonvention 1984 (ratifiziert 1990) genannt, die in Art.4 I ausdrücklich auch “Mittäterschaft oder Teilnahme” (“complicitiy or participation”; “complicité on participation”) nennt.

 

VI. Reformvorschläge

 

57 Wegen des sehr weiten Wortlauts der §§ 25 - 27 wurden und werden im allgemeinen durchgreifende Reformvorschläge nicht vorgelegt. Bezeichnenderweise sah die Arbeitsgruppe für die allgemeinen Lehren des sogenannten Strafgesetzprojektes im Justizministerium in ihrem “Vorläufigen Vorschlag zu Bestimmungen über die strafrechtliche Verantwortung des neuen Strafgesetzbuches 1990" keine Veränderung dieser Regelung vor (vgl. den Abdruck in: Lahti/ Nuotio Strafrechtstheorie 592 ff.). Nur Dencker Kausalität 259, 269 f., FS-Lüderssen 529 ff. trat wegen einiger von ihm behaupteten Ungereimtheiten für eine Totalreform ein, die auch die Strafbarkeit der versuchten Teilnahme, der Teilnahme an fahrlässiger Tat, der fahrlässigen Teilnahme und der fahrlässigen Mittäterschaft vorsehen solle. Entsprechend seiner Theorie von der “Gesamttat” solle eine “Beteiligung ohne Täter” vorgesehen werden. Deshalb müsse z.B. in § 25 II die Formulierung “wie der Täter eines Individualdeliktes” aufgenommen werden (Kausalität 259). Ihm folgte (primär für das Völkerstrafrecht, aber auch für das deutsche Strafrecht) Vest Genozid 218 ff. Schünemann schlug eine Ergänzung des § 25 dergestalt vor, daß auch derjenige Täter sein solle, “der die Tat durch den von ihm geleiteten Betrieb ausführen läßt”, wobei in der Gesetzesbegründung klarzustellen wäre, daß hierfür noch kein schlichtes Nichteinschreiten, wohl aber eine von der Reflexivität des Wissens getragene Duldung ausreiche (Verantwortlichkeit 148). In ähnlicher Weise trat Hilgers für einen neuen 3. Absatz des § 25 ein: “Als Täter wird bestraft, wer zur Begehung der Straftat eine regelmäßig funktionierende Organisation benutzt (Organisationstäter)” (Verantwortlichkeit 241). Einige kritische Stimmen galten und gelten der Regelung der Akzessorietät in §§ 26, 27. Zunächst forderte - zeitlich unmittelbar nach Geltungsbeginn (nämlich 1975) - Roxin den Reformgesetzgeber sofort wieder auf, tätig zu werden, um das Erfordernis der vorsätzlich begangenen Haupttat zu streichen; doch müsse man andernfalls dem neuen Gesetz gehorchen (Täterschaft³ 551 ff.). Von der Linde trat als Konsequenz seiner funktionalen Präventionstheorie - die er zwar ebenfalls für nicht begründbar, aber doch als geringstes Übel betrachtete - für die Aufhebung der Unterscheidung von Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen ein und forderte de lege ferenda die Einführung der strengen Akzessorietät, d.h. die Möglichkeit einer Teilnahme nur an einer rechtswidrigen und schuldhaften Haupttat (Rechtfertigung 252 ff., 289).

 

58 Sonst legten und legen - wie unter B. zu zeigen ist - die “Interpreten” einfach ihre Auffassung diesen Bestimmungen zugrunde. Von daher ist es nur konsequent, wenn Frisch dem Durchbruch der Tatherrschaftslehre - die er auch in den Entscheidungen des BGH angewendet sieht - das “Prädikat einer geglückten Dogmatik” zuerkennt (Strafrechtsdogmatik 175). Nur für die Theorien, die die Beteiligungsformen nach der Strafbedürftigkeit unterscheiden wollen (vgl. Rn.xx), stellt die in § 26 vorgesehene Gleichbestrafung von Täter und Anstifter vor Probleme. Man kann dann zwar - wie in Rn. xxx gezeigt - die Voraussetzungen für Anstiftung so erschweren, daß sie gleichsam als intellektuelle Urheberschaft der Täterschaft gleichkommt. Doch wurde und wird von manchen gefordert, zumindest eine fakultative Strafmilderung für Anstiftung vorzusehen (vgl. Jakobs xxx; ähnlich auch Roxin § 25 Rn.3).

 

59 Für die Täterbestimmung bei Unterlassungsdelikten schlug B. Schünemann eine Umformulierung im Sinne seiner eigenen Konzeption (vgl. Rn.xx) vor: “§ 13 Abs.1: Die unterlassene Abwendung eines Erfolges steht seiner aktiven Herbeiführung gleich, wenn der Grund des Erfolges in dem besonderen Herrschaftsbereich des Täters liegt” (Unternehmenskriminalität 268; wiederholt in: Regelung 123). Näher ins Detail ging G. Will in seiner Dissertation mit folgendem Vorschlag eines neuen § 13 II (Verantwortlichkeit 233, 228): “Rechtlich dafür einzustehen, daß der Erfolg nicht eintritt, hat derjenige, dem durch eine Rechtsnorm die Sorge für andere Personen oder bestimmte Rechtsgüter übertragen ist, der vertraglich oder tatsächlich die Sorge für andere Personen oder bestimmte Rechtsgüter übernommen hat, der eine Gefahrensituation geschaffen hat, sowie der innerhalb eines Arbeitsverhältnisses, Dienstverhältnisses oder militärischen Vorgesetztenverhältnisses mittels des Direktionsrechts, des Weisungsrechts oder der Befehlsgewalt auf das Handeln eines Dritten unmittelbar einwirken kann, soweit dieses Handeln in Bezug auf den Betrieb, die Amtstätigkeit oder dem militärischen Auftrag erfolgt.”

 

60 Dieser Vorschlag zielte bereits auf das derzeit (und wohl auch künftig) schwierigste Problem einer Beteiligtenlehre ab: nämlich eine angemessene strafrechtliche Regelung für Betriebe und Unternehmen (und Organisationen überhaupt) zu finden (zum Problem vgl. Rn.xxx). Auf die Vorschläge von Schünemann und Hilgers einer Ergänzung des § 25 ist in Rn.xx bereits hingewiesen. Schünemann formulierte auch einen neuen § 13 Abs.2: “Wird der Erfolg durch weisungsgebundenes Handeln für einen Betrieb oder mit einem gefährlichen Gegenstand des Betriebsvermögens herbeigeführt, so findet § 13 Abs.1 auf den Weisungsberechtigten auch dann Anwendung, wenn die Tat bei ordnungsgemäßer Kontrolle wesentlich erschwert worden wäre” (Unternehmenskriminalität 268). Als “Prüfungsvorschlag” sah Schünemann damals einen neuen § 13a vor (Unternehmenskriminalität 269), der dann nach der Wiedervereinigung in einem von ihm geleiteten Arbeitskreis 1992 und 1993 diskutiert und in veränderter Gestalt in einem Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität aufgenommen wurde; mit dem Wortlaut: “§ 13a: (1) Wird ein zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehörender Erfolg durch das Handeln eines Betriebsangehörigen für den Betrieb oder mit einem überwachungsbedürftigen Gegenstand des Betriebes herbeigeführt, so ist der Aufsichtspflichtige nach diesem Gesetz bereits dann strafbar, wenn das Handeln bei ordnungsgemäßer Aufsicht wesentlich erschwert worden wäre. In diesem Fall ist die Strafe nach § 49 Abs.1 zu mildern. Dem Betrieb steht das Unternehmen gleich. (2) Dieselbe Bestimmung findet auf einen Vorgesetzten oder einen sonstigen Amtsträger Anwendung, welchem die Aufsicht über die Dienstgeschäfte eines anderen Amtsträgers übertragen ist, sofern das Handeln des Untergebenen oder des zu beaufsichtigenden Amtsträgers die zur Aufsicht gehörenden Geschäfte betrifft” (Schünemann Wiedervereinigung 145). Dabei sollte dieser neue § 13a II gegenüber § 357 StGB die speziellere Vorschrift sein. Der Aufsichtspflichtige wurde als Garant in einer doppelten Funktion vorgesehen: kraft der Befehlsgewalt über in der Hierarchie nachgeordnete Unternehmensangehörige einerseits, kraft der Herrschaft über eine Gefahrenquelle andererseits. Da dieser Garant nur zur allgemeinen Anleitung und zur Überwachung nur durch Stichproben verpflichtet sei, ersetzte der Vorschlag das Erfordernis einer Quasi-Kausalität durch die bloße Risikoerhöhung (genauer: Unterlassen der Risikoverminderung) (wie es im geltenden § 130 OWiG bereits vorgesehen ist) (vgl. Schünemann Wiedervereinigung 156 ff.; dazu vgl. Bosch Organisationsverschulden 511 ff.; Weigend Bemerkungen 420). Im übrigen sollte auch § 14 neu gefaßt werden und vorsehen, daß der Vertreter “als Täter” verantwortlich ist, wenn er “die Wahrnehmung der Funktionen für den im Gesetz bezeichneten Täter übernommen hat und die im Tatbestand bezeichnete Handlung selbst oder durch einen anderen ausführt” (Schünemann Wiedervereinigung 165 ff.; zum Regelungsbedarf vgl. NK-Marxen § 14 8 ff.). Auch Will trat für einen neuen § 13a ein, der de facto die Funktion des § 278 BGB übernehmen sollte (Verantwortlichkeit 242 ff.). - Darüber hinaus gibt es Vorschläge für eine Regelung der Strafbarkeit von juristischen Personen oder - allgemeiner - vergleichbarer eine Vermögensmasse innehabender Vereinigungen vor. H.-J. Schroth Unternehmen 223 und A. Ehrhardt Unternehmensdelinquenz 239 f. traten für eine Ergänzung des § 14 ein, stellten also auf die Tat des Inhabers, eines Organs oder eines Beauftragten ab. G. Heine formulierte folgendes Muster eines allgemeinen Straftatbestandes, der analog der “Lebensführungsschuld” eines Individuums auf die “Betriebsführungsschuld” des Unternehmens selbst abstellen sollte: “Ein Unternehmen, das betriebstypische Risiken dadurch vernachlässigt, daß es 1. die Pflicht, mittels organisatorischer Maßnahmen und innerbetrieblicher Strukturanpassungen langfristig betriebliche Gefahrenquellen zu sichern, 2. die Pflicht zur Aufrechterhaltung des Sicherheitsniveaus bei Delegation betrieblicher Kompetenzen, 3. die Pflicht zur Überwachung und Kontrolle betrieblicher Gefahren versäumt, wird mit Verbandsstrafe belegt, wenn es zum Eintritt eines erheblichen betrieblichen Störfalls kommt” (der dann näher umschrieben wurde) (Verantwortlichkeit 316; ebenso in: Hettinger Reform 152). Weitere Regelungsvorschläge finden sich in Hettinger Reform 248 ff. - Manche anerkennen auch die Möglichkeit einer Strafbarkeit von Personengemeinschaften (Gesamtpersonen, Kollektiven). Man könnte dafür u.U. die Regelung des § 25 II heranziehen, wenn man in der Mittäterschaft ein eigenes Tatsubjekt einer Gesamttat annimmt (vgl. xxx). Angemessener (weil unabhängig von den Voraussetzungen der Mittäterschaft und daher als selbständige Täterbestimmung) ist freilich der Reformvorschlag nach einem § 25a, wie ihn z.B. Kohlhoff vorgelegt hat: “(1) Täter können einzelne Menschen (individuelle Personen) oder Kollektive (kollektive Personen) sein. (2) Kollektive sind Verbände und Stiftungen, soweit sie privatrechtlich anerkannt sind, eine nach außen gerichtete Tätigkeit ausüben und ihnen als Konstituenten und/ oder Mitarbeiter mindest zwei individuelle Personen angehören. (3) Die vorsätzliche Tat eines Kollektivs ist gegeben, wenn eine Straftat durch eine einzelne oder mehrere individuelle Personen aus dem Kollektiv heraus begangen wird und diesem zugute kommen soll und wenn ein entscheidungsbefugter Vertreter aktiv beteiligt ist, die Tat duldet oder von ihr bei ordnungsgemäßer Organisation wissen müßte. (4) Die fahrlässige Tat eines Kollektivs ist gegeben, wenn eine Straftat im Sinne von Absatz 3 durch nicht entscheidungsbefugte individuelle Personen vorsätzlich begangen wird, das Unternehmen jedoch im Vorfeld ausreichende vorbeugende Organisationsmaßnahmen durchgeführt hat.” - Anzumerken ist, daß eine Lösung der strafrechtlichen Erfassung von Organisationskriminalität auch in der Schaffung eigener Strafbestimmungen im BT (z.B. als echte Unterlassungsdelikte bei Verletzung einer Aufsichts- oder Kontrollpflicht) gesehen wurde und wird. So plante der Entwurf des Bundesrates für das 2. UKG die Heraufstufung des § 130 OWiG zu einer Straftat (dazu und zu eigenen Vorschlägen für eine Neufassung des OWiG in §§ 8a, 9, 130 vgl. Schünemann Wiedervereinigung 159 ff.). Zum Problem vgl. Rn.xx.

 

61 Nicht als ernster Reformvorschlag gedacht war der Hinweis von H. J. Hirsch am Marburger Strafrechtsgespräch 1997, zur Lösung des Problems der “actio libera in causa” § 25 I 2.Alt. als “wer die Tat selbst oder durch sich selbst ... begeht” zu fassen; damit würde doch der Gesetzgebungsperfektionismus auf die Spitze getrieben. Es lasse sich die actio libera in causa ohne Schwierigkeiten unter den Wortlaut des § 25 I 1. Alt. (“selbst”) bringen (vgl. ZStW 1998, 404).

 

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